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In Mietraching (Bayern) stehen die Antennenkuppeln der ehemaligen US-amerikanischen Abhörbasis Bad Aibling Station (BAS) der NSA.

© dpa

NSA-Programm XKeyscore: Überwachung überall und jeder Zeit

Neue Dokumente erhärten den Verdacht, dass der US-Geheimdienst das Internet umfassend kontrolliert. Das von der NSA verwendete Programm kann sogar die Facebook-Kommunikation der Nutzer durchforsten. Die Opposition fordert nun ein Ende der "Totalüberwachung".

Schon vor einigen Wochen sorgte der sperrige Name für Aufregung: XKeyscore. Der „Spiegel“ hatte über das Programm des US-Geheimdienstes NSA unter Berufung auf Dokumente des Enthüllers Edward Snowden berichtet. Schon damals war von einer umfassenden Überwachung die mit dem Programm möglich sei die Rede. Die britische Zeitung „Guardian“ hat nun weitere Dokumente veröffentlicht, die den Eindruck bestätigen. Es handelt sich dabei um Power-Point-Folien, die der Präsentation des Systems dienen. Darin wird auch ein „Pufferspeicher“ beschrieben, mit dem „alle ungefilterten Daten“ erfasst werden könnten, die in das System einfließen.

Die Präsentation stammt aus dem Jahr 2008. Damals habe es 150 Standorte für die Vollerfassung des internationalen Internetverkehrs gegeben. Dem Bericht des „Guardian“ zufolge kann das System XKeyscore Telefonnummern, E-Mail-Adressen und Nutzernamen aus dem Datenmaterial sammeln, aber auch Google-Suchanfragen beispielsweise nach bestimmten Orten. Online weitergereichte Dokumente lassen sich demnach zur Originalquelle zurückverfolgen. Der „Guardian“ berichtet auch darüber, wie private Facebook-Kommunikation durchforstet werden können.

Die NSA wehrt sich gegen den Vorwurf der willkürlichen Überwachung

Der Präsentation zufolge wurden „mehr als 300 Terroristen“ dank des Programms gefasst. Die konkreten Einsätze wurden aber geschwärzt. Die NSA und ihr Chef Keith Alexander wehrten sich gegen den Vorwurf einer flächendeckenden Überwachung. „Der Vorwurf, dass die NSA willkürlich und unkontrolliert Daten sammelt, ist falsch“, erklärte die NSA. XKeyscore sei Bestandteil eines gesetzlich geregelten Systems der Auslandsüberwachung. Zum Schutz gegen einen gezielten Missbrauch des Systems gebe es mehrere technische Sicherungen und eine Kontrolle durch Vorgesetzte. Außerdem hätten nur geschulte Mitarbeiter Zugang zu dem System.

Auch die deutschen Dienste, so hieß es bereits vor einigen Wochen, würden mit dem Programm XKeyscore der NSA arbeiten. Allerdings verwies das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) damals darauf, dass es sich nur um einen Test handele und das mit dem Programm keine Daten erfasst würden, sondern nur die durch das G-10-Gesetz auch legitimiert gesammelten Daten besser analysiert werden könnten. Bei dieser Position bleibt das BfV auch nach dem „Guardian“-Bericht. Das dort beschriebene Programm habe mit dem vom BfV getesteten nicht viel zu tun, es sei nur eine Art Modul, heißt es beim Verfassungsschutz. Außerdem laufe es auf einem Rechner, der weder an das Internet noch an andere Rechner im BfV angeschlossen sei. Ob die Software tatsächlich eingesetzt wird oder nicht, sei auch noch unklar.

Der BND hält sich bedeckt

Eine Entscheidung darüber könnte der Verfassungsschutz autark treffen, eine Zustimmung des Parlamentarischen Kontrollgremiums (PKGr) oder der G-10-Kommission des Bundestages sei nicht notwendig, heißt es. In der vergangenen Woche hatte BfV-Präsident Hans-Georg Maaßen mit einer Powerpoint-Präsentation auch dem PKGr die Version von XKeyscore vorgestellt, die im BfV getestet werde. Beim Bundesnachrichtendienst hält man sich bedeckt. Einen Einsatz des Programms wollte man weder dementieren noch bestätigen.

Die Opposition sieht durch die neuen Berichte neuen Klärungsbedarf. „Die neuen Veröffentlichungen sind umfangreicher als alles, was das Kanzleramt nach mittlerweile acht Wochen zugegeben hat“, sagte SPD-Parlamentsgeschäftsführer Thomas Oppermann, der auch Vorsitzender des PKGr ist. Mit XKeyscore könne viel mehr überwacht werden als bisher angenommen. „Was der ,Guardian’ offenlegt, hat Herr Pofalla bisher verschwiegen“, sagte Oppermann. Demnach habe Kanzleramtschef Ronald Pofalla offenbar nicht die ganze Wahrheit gesagt und es sei beunruhigend, dass die deutschen Geheimdienste genau dieses Instrument auch einsetzen wollten, sagte Oppermann: „Ich erwarte, dass die Bundesregierung dafür sorgt, dass die Totalüberwachung von Deutschland eingestellt wird und die Amerikaner zusichern, sich in Deutschland an die Deutschen Gesetze zu halten.“

Die Vizepräsidentin des Bundestags, Petra Pau (Linke), sagte, „XKeyscore“ ermögliche die Überwachung jedweder Netzkommunikation. „Es ist höchste Zeit für einen kompetenten Demokratie-Gipfel mit einer schonungslosen Analyse und mit internationalen Konsequenzen.“ Die Gespräche auf Arbeitsebene mit den USA würden fortgesetzt, versichert die Bundesregierung. Auch das PKGr wird erneut zusammenkommen. Nach derzeitigem Stand am 12. August.

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