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Noch ein Spionagefall. Der NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestags arbeitet schon eine Weile, nun will auch das Parlamentarische Kontrollgremium, das die Geheimdienste beaufsichtigt, Klärung haben.

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Update

NSA und Bundesnachrichtendienst: Der Bundesregierung ist die US-Spionage peinlich

Im Fall des BND-Agenten mit US-Auftrag sind für die Bundesregierung noch viele Fragen offen. Deshalb will sie vorläufig keine Konsequenzen ziehen. Aber Vorschläge, wie die USA Konsequenzen spüren könnten, gibt es inzwischen viele.

Von Hans Monath

In der Affäre um einen offenbar von den USA angeworbenen BND-Agenten haben wichtige Vertreter der Bundesregierung von Amerika Aufklärung verlangt. Konkrete politische Schlussfolgerungen will die Regierung aber erst ziehen, wenn die Ermittlungen des Generalbundesanwalts zu belastbaren Ergebnissen führen. „Es handelt sich, wenn das so ist, um einen sehr ernsthaften Vorgang“, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) während ihres China-Besuchs in Peking. Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) sagte bei einer Reise in die Mongolei, sofern sich die Verdachtsmomente bestätigten, könne man „nicht einfach zur Tagesordnung übergehen“. Die USA sollten sich „mit ihren Möglichkeiten“ an der Aufklärung beteiligen. Die US-Botschaft in Berlin erklärte am Abend: „Wir arbeiten mit der deutschen Regierung zusammen, um sicherzustellen, dass die Frage angemessen gelöst wird.“

Das Innenministerium ist sich nicht sicher

Die Betonung der Möglichkeitsform („wenn das so ist“) deutet darauf hin, dass die Informationen zu dem Fall nicht gesichert sind. Das Ausmaß der Spionage könne man noch nicht beurteilen, sagte ein Sprecher des Innenministeriums. Der BND-Mitarbeiter, der in Untersuchungshaft sitzt, soll 218 Geheimdokumente an US-Geheimdienste verkauft haben.

Die Bundesregierung will nach Angaben ihrer stellvertretenden Sprecherin Christiane Wirtz zunächst die Ermittlungen des Generalbundesanwalts abwarten. Die „Tatsachengrundlage“ sei noch nicht so gefestigt, dass man politische Schlussfolgerungen ziehen könne. Allerdings dürfte die Zuversicht begrenzt sein, dass die USA zur Aufklärung beitragen. Nach Angaben des Justizministeriums sind die USA weiterhin Antworten auf Fragen zur Datenausspähung durch den US-Geheimdienst NSA schuldig, die von der Bundesregierung vor Monaten gestellt wurden.

Gegenspionage oder doch nicht?

Nicht bestätigen wollte ein Sprecher des Innenministeriums einen Medienbericht, wonach Ressortchef Thomas de Maizière (CDU) erwägt, die Aufklärung der deutschen Geheimdienste auf die USA auszuweiten. Der Sprecher betonte, „in begründeten Einzelfällen“ könnten schon heute die „Aktivitäten befreundeter Dienste“ beobachtet werden. Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen hatte nach Bekanntwerden der NSA- Spähaktionen schon eine „Neujustierung der Spionageabwehr, eine Art 360-Grad- Blick“ angekündigt. Dafür sollen in seinem Amt mehrere Dutzend zusätzlicher Stellen geschaffen werden.

Die grüne Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt sagte der "Passauer Neuen Presse": "Die Antwort auf Spionage ist nicht Gegenspionage." Stattdessen müsse die Bundesregierung ein entschiedeneres Auftreten gegenüber der US-Regierung an den Tag legen. "Es braucht mehr Sicherheit und gegenseitigen Respekt unter Partnern", sagte die Grünen-Politikerin. "Respekt bekommt man nicht, wenn man beschämt schweigt, sondern wenn man Edward Snowden als Zeuge nach Deutschland holt, ihm hier sicheren Aufenthalt gibt und die Informationen bekommt, die auf andere Art und Weise offenbar nicht zu beschaffen sind", sagte Göring-Eckardt. Jetzt müsse es auch der Bundesregierung "dämmern", dass der frühere US-Geheimdienstmitarbeiter Snowden Deutschland mit seinen Enthüllungen einen großen Gefallen getan habe.

Im Parlament mehren sich die Stimmen für Gegenspionage

Der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag, Andreas Schockenhoff (CDU), ist entschieden für eine Erweiterung des BND-Auftrags auf die USA. Er sagte den „Stuttgarter Nachrichten“, man müsse zur Kenntnis nehmen, „dass es auch zwischen Freunden zu massiven geheimdienstlichen Übergriffen kommen kann“. Dagegen müsse sich Deutschland „mit der gesamten Bandbreite geheimdienstlicher Möglichkeiten wehren. Wir dürfen nicht in einer Richtung blind sein.“

Die stellvertretende SPD-Fraktionschefin Eva Högl forderte eine aktive Reaktion auf die jüngsten Spionageenthüllungen. "Wir müssen raus aus dem Stadium der Aufklärung und Empörung", sagte sie der "Hannoverschen Allgemeinen Zeitung". Sie halte es für "vollkommen richtig", dass deutsche Dienste künftig in alle Richtungen nachrichtendienstlich arbeiteten. Entsprechende Überlegungen soll Berichten zufolge auch Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) anstellen.

Auch der frühere Regierungskoordinator für die deutsch-amerikanischen Beziehungen, Karsten Voigt (SPD), sprach sich für ein solches Vorgehen aus. "Spionageabwehr braucht man in alle Richtungen", sagte er im Deutschlandfunk. Es habe in der Vergangenheit amerikanische Spionage in Deutschland gegeben, "es wird auch in Zukunft so etwas geben".

Die CDU will mehr Geld für den BND

Der CDU-Obmann im NSA-Untersuchungsausschuss, Roderich Kiesewetter, forderte mehr Geld für die deutsche Spionageabwehr. Deutschland habe "an der falschen Stelle gespart", sagte er zu "Zeit Online". "Unser Dienst verfügt über ein 120stel der Mittel der NSA." Kiesewetter verlangte eine "erhebliche Aufstockung" des Budgets für den BND.

Die CIA half bei der Anwerbung des BND-Spions

Der US-Geheimdienst CIA hat einem Medienbericht zufolge beim Anwerben des Spions im Bundesnachrichtendienst (BND) mitgeholfen. Es handele sich um eine autorisierte Aktion, mit der man mehr über die Abläufe der Bundesregierung in Erfahrung bringen wollte, berichtete der Sender CBS News am Montagabend unter Berufung auf einen namentlich nicht genannten Regierungsbeamten. Es werde damit gerechnet, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel in Bälde von US-Seite darüber informiert werde. Merkel (CDU) hatte die Spionageaffäre am Montag als „sehr ernsten Vorgang“ bezeichnet. Justizminister Heiko Maas (SPD) warf den Amerikanern sogar „Überwachungswahn“ vor.

Die Regierung will vorläufig keine Diplomaten ausweisen

Zu Forderungen nach Ausweisung von Diplomaten der US-Botschaft in Berlin sagte Steinmeier: „Zum gegenwärtigen Zeitpunkt bleibt es dabei, dass wir die Reihenfolge aufrechterhalten: Erst Klärung und dann entscheiden, was zu tun ist.“ Bislang hatte die Bundesregierung nur den US-Botschafter zum Gespräch ins Auswärtige Amt gebeten.

Der Grünen-Abgeordnete Hans-Christian Ströbele, der Mitglied des Parlamentarischen Kontrollgremiums (PKGr) ist, äußerte die Erwartung, dass juristisch auch gegen mögliche US-Anstifter und Geldgeber des BND-Verräters vorgegangen wird. „Ich erwarte vom Generalbundesanwalt, dass er gegen alle Ermittlungsverfahren führt, die als Beteiligte in Betracht kommen“, sagte er dem Tagesspiegel. Unabhängig davon müssten deutsche Geheimdienstvertreter von ihren US-Partnern Auskunft einfordern, mit denen sie ständig zu tun hätten. „Man kann nicht so tun, als lebten die Vertreter der US-Geheimdienste in Deutschland auf einem anderen Stern“, kritisierte Ströbele.

Datenschutz im Handelsabkommen gefordert

Konsequenzen für die Verhandlungen über das transatlantische Freihandelsabkommen (TTIP) forderte der Vorsitzende des Bundestags-Innenausschusses, Wolfgang Bosbach. "Ich bin nicht dafür, dass wir die Verhandlungen aussetzen, aber wir brauchen ein dickes Kapitel Datenschutz und Datensicherheit", sagte Bosbach am Dienstag im Sender WDR5. Zuvor hatte es von unterschiedlicher Seite wiederholt Forderungen gegeben, die TTIP-Verhandlungen zwischen der EU und den USA vorerst ganz auf Eis zu legen.

Das Parlamentarische Kontrollgremium will mehr wissen

Das Kontrollgremium soll sich noch diese Woche mit dem Fall befassen. Dies hatte der SPD-Obmann in dem Gremium, Burkhard Lischka, am Freitag beantragt. Das Kanzleramt solle erklären, wie es Lücken „im Bereich der Eigensicherung im BND“ zu schließen gedenke, heißt es in dem Brief Lischkas an den PKGr-Vorsitzenden Clemens Binninger (CDU). Hintergrund ist der Verdacht, dass die Abwehrabteilung des BND in dem Fall versagt hat. Der BND-Doppelagent war offenbar erst durch den Verfassungsschutz entdeckt worden, als er sich per E-Mail auch noch dem russischen Generalkonsulat andienen wollte. PKGr-Mitglied Ströbele sagte, er würde es vorziehen, dass die Bundesregierung den Sachverhalt „öffentlich aufklärt“. Sofern dies verweigert werde, sei eine Sondersitzung des PKGr sinnvoll.

Die Anwerbung des BND-Mitarbeiters durch US-Vertreter soll auch beim Treffen deutscher PKGr-Vertreter mit Schwesterorganisationen aus den USA, Großbritannien, Kanada, Australien und Neuseeland in London Thema sein. „Ich werde das ansprechen“, sagte Ströbele. Die Geheimdienste der „Five Eyes“-Staaten arbeiten bei der internationalen Datenüberwachung engstens zusammen. (mit dpa/AFP)

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