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Der Guardian-Mitarbeiter Glenn Greenwald

© picture-alliance/dpa

NSA und Journalisten: Die Partisanen der Presse

Er veröffentlichte den NSA-Skandal als erster. Doch US-Journalisten werfen Glenn Greenwald mangelnde Neutralität vor. Nun verteidigt ihn ein Kollege.

Briten und Amerikanern verdanken wir Deutschen demokratische Medien. Das weiß jedes Schulkind, das im Geschichtsunterricht nicht geschlafen hat. Unsereins hört es spätestens in der Ausbildung wieder, im Volontariat oder an der Journalistenschule: Keiner Partei verpflichtet, kritisch gegen die Mächtigen – mit diesen Maßgaben machten alliierte Presseoffiziere, vor allem britische und amerikanische, ab 1945 nicht nur der NS-Propaganda den Garaus, sondern auch einer älteren deutschen Tradition. Max Weber zum Beispiel galten in seiner berühmten Schrift „Politik als Beruf“ von 1919 Journalisten und Berufspolitiker als prinzipiell dieselbe Branche. Presse war noch in der Weimarer Republik im Grunde Parteipresse und Unabhängigkeit ein Fremdwort.
Nun aber, so ist zu hören und zu lesen, steht im Mutterland des auf Neutralität bedachten Journalismus eben der auf dem Spiel. Kollegen des Bloggers und „Guardian“-Mitarbeiters Glenn Greenwald werfen ihm Verrat an den heiligen Prinzipien vor. Der gelernte Jurist, ein scharfer Kritiker der Informationspolitik der Regierung Obama, sei nicht unabhängig, sogar richtig parteiisch. Ja vielleicht, fragte ihn ein bekannter TV-Moderator, müsse er ja genauso von den US-Behörden verfolgt werden wie Edward Snowden, dessen Enthüllungen über das Tun der National Security Agency und deren Spähprogramm Prism er im „Guardian“ beschrieb. Snowden, das ist in der Tat Greenwalds Geschichte, und dass er dafür so heftig angegriffen wird, dürfte auch damit zu tun haben, dass er, der Außenseiter, schon oft gegen die etablierten Kollegen ausgeteilt hat. Er wirft ihnen gefährliche Nähe zur Macht in Washington vor. Die Attacken der Kollegen kommentierte Greenwald, der im selbst gewählten Exil in Brasilien lebt, bissig mit den Worten, sie belegten selbst am besten, wie berechtigt seine Kritik sei.

Jetzt hat ihn ein anderer Kollege verteidigt, der Reuters-Kolumnist Jack Shafer. In einem furiosen Stück im Stil klassischer Rhetorik wirft Shafer Greenwalds Gegnern „einen schmerzlichen Mangel an Geschichtswissen vor“. Amerikanischer Journalismus habe geradezu begonnen als „Rebellion gegen den Staat“, und damals, im 18. Jahrhundert, in den Kämpfen um die Unabhängigkeit der 13 Kolonien, hätte man bestenfalls im Lager der britischen Kolonialherren gefragt, ob diese Journalisten nicht eigentlich ins Gefängnis gehörten. Die Tradition der „partisan journalists“, der parteiisch-engagierten Journalisten, in der Glenn Greenwald stehe, beginne mit Thomas Paine, einem der intellektuellen Gründerväter der USA, und führe zu jenen Männern und Frauen, die im 19. Jahrhundert gegen die Sklaverei oder die Lebensbedingungen der Indianer stritten. In den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts hätten die Fotografinnen Margaret Bourke-White und Dorothea Lange den Blick auf die ländliche Armut gelenkt. Ob Pharmaskandale, Lynchjustiz im Süden, Rassismus oder Umweltschmutz: „Dem Auge und der Feder von Aktivisten-Journalisten entging kein strittiges Thema“, schreibt Shafer und beantwortet die Frage nach ihrer Neutralität mit einer Gegenfrage: „Was täten wir ohne engagierte Journalisten?“

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