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Es gibt auffallend viele Verbindungen zwischen dem ehemaligen Verfassungsschutz-Beamten Andreas T. und einem Mord der NSU.

© dapd

NSU-Mord in Kassel: Ex-Verfassungsschützer beteuert Unschuld

Andreas T. spricht von "Zufällen", doch sie belasten ihn schwer. Vor dem NSU-Untersuchungsausschuss musste der ehemalige Verfassungsschützer am Dienstag erklären, warum die Rechtsextremen in seiner unmittelbaren Nähe morden konnten - und er angeblich nichts davon mitbekam.

Andreas T. bleibt erstmal am Eingang stehen. Er beobachtet die Kameras, die auf ihn warten, schaut zu, wie sich die Abgeordneten setzen. Observieren war als Mitarbeiter der Landesamts für Verfassungsschutz Hessen immerhin mal seine Aufgabe.

Doch das ist vorbei, seit er am 6. April 2006 in Kassel fast genau zu der Zeit in einem Internetcafe war, in der dessen türkischer Besitzer ermordet wurde - mutmaßlich von der rechten Terrorgruppe Nationalsozialistischer Untergrund. Nur Andreas T. hat sich nicht bei der Polizei gemeldet, angeblich, weil er Angst hatte, dass seine Frau etwas von seinen Aktivitäten mitbekommt, weil er in dem Café auf Flirtseiten unterwegs war und seine Frau gerade ein Baby erwartete.

Doch die Polizei kam ihm trotzdem auf die Spur. Und immer mehr Ungereimtheiten traten zutage. Warum hat er nichts von dem Mord mitbekommen? Wie passt es zusammen, dass er selbst Sportschütze war? Wieso fanden die Ermittler in seinem Elternhaus rechtsextreme Gegenstände? Und wie passt es zusammen, dass er beim Verfassungsschutz als V-Mann-Führer auch rechtsextreme V-Leute führte und in Kontakt stand - auch kurz nach der Tat?

Die Ermittlungen erhärteten den Verdacht gegen den ehemaligen Staatsschützer aber nicht, das Verfahren wurde 2007 eingestellt.

Vor dem NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestages hat T. am Dienstag nun erneut jegliche Beteiligung an dem Kassler Mord der Terrorzelle bestritten. Er habe von dem Mord nichts mitbekommen, beteuerte der ehemalige Verfassungshüter vor dem Gremium in Berlin. Auch sei er weder heute ein Rechtsextremer, noch sei er in der Vergangenheit einer gewesen. "Es gibt so viele Zufälle, die meine Schilderung so unglaubwürdig erscheinen lassen, aber es sind Zufälle. Und es belastet mich, weil ich weiß, wie es aussehen muss, wenn man als Dritter drauf schaut", sagte T.. Und im Ausschuss gab es viele Dritte, die genau hinschauten.

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Vier Stunden wurde er befragt und mehrfach musste er an seine "Wahrheitspflicht" vor dem Ausschuss erinnert werden. Denn immer wieder fiel auf, dass er Details wegließ oder anders darstellte. So vergaß er auf die Frage, wie oft er nach seiner Festnahme mit seiner Dienststelle in Kontakt war, zu erwähnen, dass er sich auch mal auf einer Autobahnraststätte mit seiner Vorgesetzten getroffen hatte. Er erinnerte sich nicht an ein Gespräch mit seiner Quelle aus dem rechten Milieu kurz nach der Tat, als er noch nicht verdächtig war.

Die Abgeordneten berichteten aber aus Vernehmungsprotokollen der Quelle, die davon erzählt, wie nervös T. damals war und wie sie über die Tat gesprochen hatten. T. aber kann sich an nichts erinnern. Sein Fall hat für viel Wirbel gesorgt - vor allem seine V-Leute. Die Polizei wollte diese verhören, nur das LfV Hessen war dagegen. Der damalige hessische Innenminister Volker Bouffier (CDU) entschied sich dann für Nichtbefragung.

Der heutige hessische Ministerpräsident muss Ende September vor den Ausschuss. Da wird es auch nochmal um T. gehen, dessen Stimme an diesem Tag oft einfach wegbricht. Er spricht leise, knetet seine Hände. Am Ende aber kommen auch die Abgeordneten zu einer ähnlichen Einschätzung wie der Generalbundesanwalt: Dass T. mit der Tat nichts zu tun hat. Es ist wohl schlicht der traurige Aufstieg und Fall eines ehemaligen Postbeamten, der eine Stellenausschreibung des Verfassungsschutzes gesehen hatte, wie er berichtete, und dann die "spannende Aufgabe" angegangen ist.

Doch in dem Moment, wo es wichtig gewesen wäre, etwas zu sehen, hat der heute 45-Jährige nichts gesehen und bereut es: "Ich wünschte, ich hätte etwas mitbekommen." (mit dapd)

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