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Die Hauptangeklagte Beate Zschäpe wird von ihren Anwälten abgeschirmt

© Tobias Hase/dpa

Nsu Prozess - 166. Prozesstag: Verteidiger scheitern mit Befangenheitsantrag gegen Richter Götzl

Weil er auf die Befragung eines Polizisten nicht verzichten wollte, stellten die Anwälte von Beate Zschäpe und Ralf Wohlleben einen Befangenheitsantrag gegen Richter Manfred Götzl. Damit sind sie nun gescheitert.

Von Frank Jansen

Im NSU-Prozess am Oberlandesgericht München hat der Vorsitzende Richter Manfred Götzl einen weiteren Befangenheitsantrag überstanden. Drei Richter von Götzls 6. Strafsenat wiesen am Dienstag das Ablehnungsgesuch der Verteidiger von Beate Zschäpe und Ralf Wohlleben als unbegründet zurück. Die Anwälte hatten vergangenen Donnerstag Götzl attackiert, weil er einen Polizisten als Zeugen zum Protokoll einer Vernehmung Zschäpes befragen wollte, obwohl der Beamte kaum noch eine Erinnerung an den Vorgang aus dem Jahr 1996 hatte. Die Polizei in Jena hatte damals gegen Zschäpe ermittelt, weil sie an einer antijüdischen Straftat beteiligt gewesen sein soll. Knapp zwei Jahre später setzte sich Zschäpe mit ihren zwei Freunden, den späteren NSU-Mördern Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt, in den Untergrund ab.

Aus Sicht der Verteidiger Zschäpes wollte Götzl am Donnerstag bei der Befragung nicht aufgeben, weil für ihn das Ergebnis der Hauptverhandlung schon feststehe und er das Protokoll als weiteren „Mosaikstein“ für seine Argumentation benötige. Die drei Richterkollegen Götzls sehen hingegen nicht, dass zu befürchten sei, er habe die Vernehmungsniederschrift von 1996 um jeden Preis in den Prozess einführen wollen. Die Absicht, dem Polizisten trotz mangelnder Erinnerung Teile des Protokolls vorzuhalten, interpretieren die Richter als Teil der Götzl obliegenden Aufklärungspflicht, wie es sinngemäß im Beschluss zur Zurückweisung des Befangenheitsantrags heißt.

Schon in der Vergangenheit gescheitert

Götzl und die Verteidiger waren im Prozess schon früher wegen der hartnäckigen Befragung von erinnerungsschwachen Zeugen aneinandergeraten. Am Donnerstag eskalierte der Konflikt und die Verteidiger stellten das Ablehnungsgesuch gegen den Vorsitzenden Richter. Dass Götzl darüber nicht stürzen würde, war allerdings zu erwarten. Bislang hatten die Verteidiger mit keinem Befangenheitsantrag gegen Götzl oder weitere Richter des Strafsenats Erfolg.

Im Fall der Mordwaffe Ceska 83, mit der Mundlos und Böhnhardt neun Migranten erschossen hatten, wurden am Dienstag zwei ehemalige Polizisten aus der Schweiz befragt. Sie hatten 1998 im Kanton Luzern gegen einen Kriminellen ermittelt, der hunderte Waffen nach Deutschland verkauft hatte. Der Mann stand zudem in geschäftlichem Kontakt zur heute nicht mehr existierenden Waffenfirma Schläfli & Zbinden im Kanton Bern. Das Unternehmen spielte offenkundig auch eine Rolle auf dem Weg der Ceska 83 zu Mundlos und Böhnhardt. Im Waffenbuch der Firma ist der erste private Käufer der Waffe eingetragen.

Der Weg der Ceska

Laut Bundesanwaltschaft erwarb der Schweizer Hans-Ulrich M. 1996 die Ceska 83 über einen Mittelsmann bei Schläfli & Zbinden, anschließend gelangte sie auf Umwegen nach Thüringen. Der Angeklagte Carsten S. brachte die Pistole dann, wie er im Prozess gestanden hat, im Frühjahr 2000 zu Mundlos und Böhnhardt, die sich mit Zschäpe in Chemnitz versteckten. Carsten S. hat den mitangeklagten Ex-NPD-Funktionär Ralf Wohlleben belastet. Wohlleben soll maßgeblich an der Beschaffung der Pistole für den NSU mitgewirkt haben. Die Verteidiger Wohllebens versuchen nun, die in der Anklage skizzierten Wege der Ceska 83 in Frage zu stellen, um damit die Glaubwürdigkeit des Geständnisses von Carsten S. zu erschüttern, genau diese Waffe dem NSU überbracht zu haben.

Die "Blood & Honour"-Connection

Der Mitangeklagte Ralf Wohlleben vor dem Oberlandesgericht München
Der Mitangeklagte Ralf Wohlleben vor dem Oberlandesgericht München

© Andreas Gebert/dpa

Dazu diente auch der Antrag, die pensionierten Schweizer Polizisten nach München zu holen, um sie als Zeugen zur obskuren Waffenszene in der Schweiz und den möglichen Verwicklungen von Schläfli & Zbinden zu befragen. Einer der beiden ehemaligen Beamten meinte denn auch, das Unternehmen habe „in einer Grauzone“ operiert. Doch keiner der zwei Ex-Polizisten lieferte Belege, der Eintrag der Ceska 83 im Waffenbuch von Schläfli & Zbinden könnte falsch sein. Die Aussagen der Pensionäre brachten für Wohlleben keinerlei Entlastung.

Am Nachmittag trat im Prozess der ehemalige Betreiber eines Ladens für rechte Musik und Kleidung in Sachsen auf. Michael P. fiel Götzl frech ins Wort und behauptete, er habe Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe nicht gekannt. Der Zeuge zog auch über einen ehemaligen Angestellten her, den früheren V-Mann Carsten Sz. Er hatte für den Brandenburger Verfassungsschutz die Szene ausgeforscht. Schon vor dessen Enttarnung als V-Mann habe er ihm misstraut, sagte Michael P., „er konnte einem nicht in die Augen gucken“. Carsten Sz., den die Polizei über ein Zeugenschutzprogramm vor Racheakten der rechten Szene bewahrt, soll diesen Mittwoch im NSU-Prozess gehört werden. Carsten Sz. hatte nach der Flucht von Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe im Jahr 1998 dem Verfassungsschutz von einer möglichen Bewaffnung der drei berichtet.

Ein bizarrer Auftritt

Richter Götzl unterbrach am Nachmittag die Einvernahme von Michael P. Der Zeuge wollte sich nicht zu seiner Ex-Frau äußern. Antje B. steht in Verdacht, sie habe ihren Pass Beate Zschäpe zur Verfügung stellen wollen, damit diese mit Mundlos und Böhnhardt nach Südafrika hätte fliehen können. Der Strafsenat will nun Michael P. einen Anwalt als Zeugenbeistand zuordnen. Michael P. soll dann am 16. Dezember weiter gehört werden. Seine frühere Ehefrau wurde auch schon vernommen und muss ebenfalls wieder in München erscheinen. Ihr Auftritt am 20. November war bizarr.

Die vierfache Mutter beschrieb die Sektion Sachsen der militant neonazistischen Skinhead-Vereinigung Blood & Honour als familienfreundliche Veranstaltung für Musikliebhaber und sprach von „Demut“. Obwohl die deutsche „Division“ von Blood & Honour als so gefährlich galt, dass im September 2000 der damalige Bundesinnenminister Otto Schily sie verbot. Götzl setzte der Frau mit zunehmend härteren Fragen zu. Als sie behauptete, den Angeklagten André E. nicht zu kennen, konfrontierte er sie mit dem Widerspruch zu einer Aussage beim Bundeskriminalamt. Da hatte Antje B. zugegeben, ihr Ex-Mann habe den Angeklagten André E. und dessen Zwillingsbruder Maik gekannt. Antje B. reagierte impulsiv, „Scheiße!“ Kommende Woche soll sie erneut im Saal A 101 aussagen.

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