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Der Angeklagte Ralf Wohlleben im NSU-Prozess in München

© dpa/Andreas Gebert

NSU-Prozess/188. Tag: Drei NSU-Mitglieder galten den Rechten als Helden und Märtyrer

Im NSU-Prozess berichtete eine Aussteigerin aus der rechten Szene vom hohem Ansehen der mutmaßlichen NSU-Terroristen Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt bei den Thüringer Neonazis. Mit ihrer Aussage belastete sie den Angeklagten Ralf Wohlleben.

Die drei Mitglieder des "Nationalsozialistischen Untergrunds" (NSU) - Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt - sind in der Thüringer Neonaziszene wie Helden verehrt worden. Das berichtete eine Zeugin und Aussteigerin aus der Neonaziszene am 188. Verhandlungstag des NSU-Prozesses vor dem Oberlandesgericht München. „Sie wurden in der Szene hoch gelobt für ihre Taten, dafür, dass sie aktiv sind, sich einsetzen“, sagt Christine H. „Die drei standen immer wie Helden da. Damals in der Szene waren das die Märtyrer."

Zeugin suchte Halt bei den Rechten

Christine H. war zwölf Jahre alt, als sie 1996 in das Neonazimilieu in Jena einstieg. Die heute 30 Jahre alte Studentin bezeichnete sich rückblickend als Mitläuferin. Sie habe die Szene als Ersatzfamilie empfunden, nachdem sich ihre Eltern kurz zuvor getrennt hatten. In der Szene habe sie sich schnell mit Carsten S. angefreundet, der im Prozess wegen Beihilfe zum Mord in neun Fällen angeklagt ist. Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt habe sie nicht kennengelernt, sagte die Zeugin. Carsten S. und Christine H. gehören längst nicht mehr zur Neonaziszene. Carsten S. ist im Jahr 2000 ausgestiegen, die Zeugin Anfang 2001.

Carsten S. hat im Prozess gestanden, den mutmaßlichen NSU-Terroristen im Auftrag des Mitangeklagten Ralf Wohlleben eine Waffe besorgt und sie Böhnhardt und Mundlos im Jahr 2000 übergeben zu haben. Es soll die Ceska gewesen sein, mit der der NSU neun Menschen erschoss. Carsten S. ist geständig. Was die drei mit der Waffe wollten, will er nicht gewusst haben.

Freundschaft mit NSU-Helfer

Christine H. und Carsten S. hielten noch Kontakt, als Carsten S. nach Köln zog und sich als schwul outete. Bei einem Besuch in Köln kurz vor Silvester 2011 habe er ihr von der Waffe erzählt. Im November 2011 hatte die Welt gerade von der Existenz des NSU erfahren.

„Er war höllisch angespannt“, sagte die Zeugin. Plötzlich habe er gesagt, „dass er eine Waffe mit Schalldämpfer besorgt, sich mit einem von denen getroffen und die Waffe in einem Abbruchgelände übergeben hat“. Carsten S. habe gesagt, „dass er Angst hat, dass das die Waffe war, die bei den Morden verwendet wurde. Dann ist er zusammengebrochen.“ Sie habe das Thema schnell beendet, sagt sie. „Carsten ist ein Typ, der sich schnell in Sachen reinsteigert. Ich dachte, das sei vielleicht ein Hirngespinst.“ Als er im Februar 2012 verhaftet wurde, merkte sie, dass es kein Hirngespinst war.

Angst vor Wohlleben

Wohlleben hält auf der Anklagebank Händchen mit seiner Frau. Als Zeugenbeistand darf sie neben ihm sitzen. Wohlleben und Zschäpe sind die einzigen der fünf Angeklagten, die in Untersuchungshaft sind. Das Ehepaar Wohlleben geht liebevoll miteinander um. Dass Wohlleben auch anders kann, davon berichtete die Zeugin an diesem Tag.

Christine H. schilderte eine Situation in Wohllebens Wohnung, als er einen etwa 13 Jahre alten Neonazi dafür bestraft hat, dass der einen Döner gegessen hatte. „Wohlleben sagte, er solle zehn Liegestütze machen. Und er sagte, beim nächsten Mal werde er ausgepeitscht.“ Der Junge tat, was Wohlleben verlangte. „Es war demütigend und angsteinflößend“, sagt Christine H. Sie sagt auch, Wohlleben und Neonazi André K. seien damals die „Leitpersonen“ in der Szene gewesen, diejenigen, die gesagt hätten, wo es lang ging. Sie habe Respekt vor ihnen gehabt. Auch Angst.

Verehrt nach Tat von 1996

Zschäpe, Böhnhardt und Mundlos waren im Januar 1998 untergetaucht, nachdem die Polizei in Zschäpes Garage Material zum Bombenbau gefunden hatte. Ihren Heldenstatus begründet Christine H. unter anderem mit einer Tat aus dem April 1996. Damals hing eine Puppe mit einem Davidstern und der Aufschrift „Jude“ an einer Autobahnbrücke. Die Puppe hatte eine Schlinge um den Hals und war verkabelt mit einem Karton. Ein nebenstehendes Verkehrszeichen war mit den Worten „Vorsicht Bombe“ übermalt.

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