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Die erste Aussage von Beate Zschäpe (rechts) im NSU-Prozess wird mit Spannung erwartet.

© dpa/Kerstin Joensson

Update

NSU-Prozess: Anwalt verliest die Aussage von Beate Zschäpe

Im NSU-Prozess hat der Anwalt der Hauptangeklagten mit der Verlesung ihrer Einlassung begonnen. Damit äußert sich Beate Zschäpe erstmals zu den Vorwürfen.

Von Frank Jansen

Einen solchen Andrang gab es schon lange nicht mehr beim NSU-Prozess. Bereits um sechs Uhr formierte sich am Mittwochmorgen eine Schlange frierender Menschen vor dem Eingang zum Betonmonstrum des Oberlandesgerichts München. Vor allem Journalisten, die keinen festen Sitzplatz im Saal A 101 haben, standen an, um auf die Zuschauertribüne zu gelangen. „Normales“ Publikum kam deshalb kaum zum Zug. Allerdings war einer der üblichen Verdächtigen da. Der massige Glatzkopf, der seit vielen Monaten Beate Zschäpe anhimmelt, stand ganz vorne vor der Einlassbarriere. Er kam früh rein und setzte sich auf seinen gewohnten Platz in der ersten Reihe auf der Empore. Zschäpe wird auch heute wieder von oben mit sehnsüchtigen Blicken eingedeckt.

Beate Zschäpe ließ sich anschließend erstmals bereitwillig fotografieren. Sie wandte sich am Mittwochmorgen nicht - wie sonst - von den Kameras weg. Anschließend begann ihr Verteidiger Mathias Grasel mit der Verlesung ihrer Aussage. Seit ihrer Festnahme am 8. November 2011 in Jena hatte sie geschwiegen, nun will sie sich äußern. Was in der schriftlich formulierten Aussage, es sollen um die 50 Din-a-4-Seiten sein, stehen könnte, war auch am Morgen Stoff für allerlei Spekulationen.

Eine lange Schlange Besucher hat sich am Mittwoch vor dem Oberlandesgericht in München gebildet.
Eine lange Schlange Besucher hat sich am Mittwoch vor dem Oberlandesgericht in München gebildet.

© dpa

Wird Zschäpe schildern, wie sie die fast 14 Jahre im Untergrund mit den Mördern Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt verbracht hat? Legt sie ein komplettes Geständnis ab, belastet sie auch Mitangeklagte oder weitere Beschuldigte im gigantischen NSU-Komplex? Oder wird sie in der Einlassung lavieren, sich als weitgehend ahnungslos präsentieren, wenn es um die Verbrechen der Terrorzelle geht?

Anwalt Grasel hatte eine umfassende Einlassung angekündigt

Anwalt Grasel hatte angekündigt, Zschäpe werde sich umfassend einlassen. Zu allen Anklagepunkten. Die Bundesanwaltschaft wirft der 40-jährigen Frau vor, sie sei stets die Mittäterin gewesen – bei den zehn Morden, bei den zwei Sprengstoffanschlägen, bei den 15 Raubüberfällen. Auch wenn Zschäpe vermutlich an keinem der Tatorte gewesen ist. Doch aus Sicht der Ankläger war sie ein unverzichtbares Mitglied der Terrorzelle „Nationalsozialistischer Untergrund“.

Zschäpe soll die Kasse des NSU verwaltet haben, in der mehr als 600 000 Euro Beute aus den Überfällen auf Bankinstitute und einen Supermarkt landeten. Zschäpe soll den Nachbarn der Wohnungen in Zwickau, die Mundlos, Böhnhardt und ihre Gefährtin unter falschem Namen bezogen, Märchen über sich und die beiden Männer erzählt haben, um die Terrorzelle zu tarnen. Die Bundesanwaltschaft hält es auch für bewiesen, dass Zschäpe von den Morden an neun Migranten und einer Polizistin sowie den beiden Sprengstoffanschlägen in Köln gewusst hat.

Und Zschäpe soll am 4. November 2011 mit zehn Liter Benzin die Wohnung in der Zwickauer Frühlingsstraße angezündet haben, in der sie zuletzt mit Mundlos und Böhnhardt gelebt hatte. Am selben Tag hatten sich drei Stunden zuvor die beiden Männer in Eisenach in einem Wohnmobil erschossen, als ihnen die Polizei nach einem Überfall auf eine Sparkassenfiliale auf die Spur kam. Zschäpe, das steht für die Ankläger fest, steckte die Wohnung in Brand, um Spuren des NSU zu vernichten. In den Räumen lagen unter anderem mehrere Waffen und Munition.

Die meisten Anklagepunkte kamen  in dem nun mehr als zweieinhalb Jahre dauernden Prozess zur Sprache. Mehrere Zeugen haben Zschäpe belastet. Ob das reicht, sie als Mittäterin der Mörder Mundlos und Böhnhardt zu verurteilen, ist dennoch nicht sicher. Das könnte Zschäpe nun nutzen, um in der Einlassung weiteren Zweifel zu säen. Spätestens am Mittag, wenn nichts dazwischen kommt, wissen die anderen Prozessparteien und die Öffentlichkeit mehr. Und ob sie sich bei den Opfern des Terrors entschuldigt hat. (mit dpa)

Ein Interview mit der Tochter eines NSU-Opfers zu ihren (geringen) Erwartungen an die Aussage Zschäpes können Sie hier lesen.

Eine Chronik des NSU-Prozesses finden Sie hier.

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