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Immer die gleiche Pose: Beate Zschäpe verbirgt ihr Gesicht vor den Kameras.

© Peter Kneffel/dpa

NSU-Prozess: Beate Zschäpe: die angeschlagene Angeklagte

Fast zwei Jahre dauert der NSU-Prozess inzwischen. Und die Hauptangeklagte Beate Zschäpe wirkt zunehmend instabil. Der Vorsitzende Richter drosselt deshalb das Tempo der Verhandlung – damit diese nicht scheitert.

Von Frank Jansen

Nach fast zwei Jahren war das Ritual am Donnerstag erst mal vorbei. Beate Zschäpe drehte am 190. Verhandlungstag im NSU-Prozess nicht, wie sonst jeden Morgen seit Mai 2013, den Fotografen und Fernsehteams stehend den Rücken zu. Die trotzige Pose der Hauptangeklagten fiel aus, weil der Vorsitzende Richter des 6. Strafsenats, Manfred Götzl, die Kameras verbannte.

Zschäpe hatte sich belästigt gefühlt. Und sie wirkt zunehmend instabil. Fotografen und Fernsehleute dürfen jetzt nur noch, das hat Götzl verfügt, am ersten und siebten Verhandlungstag im Monat und bei „besonderen Prozesssituationen“ Zschäpe ablichten. So betrat sie den Saal A 101 des Oberlandesgerichts München ohne Blitzlichtgewitter und setzte sich.

Was wiegt schwerer: Pressefreiheit oder Persönlichkeitsrecht?

Das war mehr als nur eine Episode. Die Verteidiger Zschäpes und offenbar auch der Strafsenat sehen die Verhandlungsfähigkeit der Frau gefährdet. Götzl hatte auf einen Antrag der Anwälte hin Pressefreiheit und Persönlichkeitsrecht der Angeklagten „abgewogen“. Der Richter entschied gegen die Medien.

Doch ein Proteststurm von Medien blieb aus. Nicht nur, weil die bislang täglich geschossenen Bilder der Angeklagten fast nicht mehr zu unterscheiden sind. Es will auch kaum jemand, dass der Jahrhundertprozess in der bisherigen Form scheitert. Könnte Zschäpe längere Zeit an der Verhandlung nicht teilnehmen, würde es unumgänglich, das Verfahren gegen die Frau abzutrennen und später, sobald sie sich erholt, den Prozess gegen sie komplett neu aufzurollen.

Die 40-Jährige ist vor allem psychisch angeschlagen. Die lange Prozessdauer, die massive Anklage der Bundesanwaltschaft, die Enge der Gewahrsamszelle im Gericht, die mehr als dreijährige Untersuchungshaft und die Nähe neugieriger Journalisten machen Zschäpe zu schaffen. Sie war bisher nur wenige Tage krank, doch die Abstände werden kürzer. Im Februar fiel ein Termin aus, vergangenen Dienstag der nächste. Offenbar fragen sich die Richter, wie lange die Angeklagte noch durchhält. Der Prozess könnte durchaus bis 2016 dauern.

Verhandelt wird nur noch an zwei Tagen pro Woche

Um die Strapazen weiter zu lindern, hat Götzl nun auch das schon nicht allzu hohe Tempo des Prozesses reduziert. In den kommenden drei Wochen, bis zur Osterpause, wird statt an drei nur noch an zwei Tagen verhandelt, mittwochs und donnerstags. Das hatte der Münchener Psychiater Norbert Nedopil nach einem Gespräch mit Zschäpe empfohlen. Nedopil erklärte sie für verhandlungsfähig, riet aber, die Angeklagte „vorsorglich zu entlasten“. Dienstags bleibt Zschäpe jetzt in der JVA Stadelheim. In der Zelle, das hatte Götzl im vergangenen Jahr erlaubt, kann auch eine Mitgefangene übernachten. Die darf aber nicht terrorverdächtig sein, so wie Zschäpe.

Die Bundesanwaltschaft wirft ihr vor, sie sei bei allen Verbrechen des NSU die Mittäterin gewesen – bei den zehn Morden, den beiden Sprengstoffanschlägen in Köln, den 15 Raubüberfällen. Außerdem muss sich Zschäpe wegen der mutmaßlich von ihr begangenen Brandstiftung in Zwickau verantworten.

Am 4. November 2011 verließ die Frau fluchtartig das in Flammen stehende Haus in der Frühlingsstraße, in dem sie mit den NSU-Mördern Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt gelebt hatte. Die beiden hatten sich zuvor in Eisenach erschossen. Da Zschäpe nach Ansicht der Bundesanwaltschaft in Kauf nahm, dass bei dem Feuer eine Nachbarin und zwei Handwerker hätten sterben können, kommt der Vorwurf des dreifachen versuchten Mordes hinzu. Der Angeklagten droht eine lebenslange Freiheitsstrafe, mit besonderer Schwere der Schuld. Das könnten 20 Jahre Haft sein.

Freispruch unwahrscheinlich

Zschäpe schweigt. Nicht erst im Prozess. Nach ihrer Festnahme am 8. November 2011, dem Schlusspunkt von fast 14 Jahren im Untergrund, hat sie sich zu den Taten des NSU nicht geäußert. Dennoch dürfte Zschäpe ahnen, dass trotz der mühseligen Indiziensuche im Prozess ein Freispruch unwahrscheinlich ist. Schon den Brand in Zwickau wird der Strafsenat vermutlich mit einer harten Strafe ahnden. Zschäpes Perspektiven sind düster.

Und es kostet viel Kraft, jede Aussage zu verweigern. Zschäpe ist kein schweigsamer Typ. Mit ihren Verteidigern Wolfgang Heer, Anja Sturm und Wolfgang Stahl redet sie oft, es wird gescherzt. Doch im Verhältnis zu den Anwälten zeigte sich auch, wie wacklig Zschäpe ist. Im Juli 2014 ließ sie Götzl mitteilen, sie vertraue den Verteidigern nicht mehr. Wohl aus einer Stimmung heraus. Die Begründung war so dürftig, dass Götzl alle Anwälte an Zschäpes Seite beließ.

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