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Richter Manfred Götzl leitet den NSU-Prozess

© dpa

NSU-Prozess: Der forsche Richter Götzl gibt sich die Blöße

Eigentlich sollte Zeuge Enrico T. im NSU-Prozess nach der Herkunft der Tatwaffe Ceska 83 befragt werden. Doch Richter Götzl musste die Vernehmung abbrechen. Zeuge Enrico T. bekommt einen Anwalt zur Seite gestellt.

Von Frank Jansen

Manfred Götzl ist gern forsch, sein Auftreten ist, milde formuliert, dominant. Doch am Dienstag hat es der Vorsitzende Richter des 6. Strafsenats am Oberlandesgericht München übertrieben – und er musste etwas tun, was in den 94 Tagen NSU-Prozess bislang nur selten vorkam. Götzl gab nach und damit indirekt zu, ein wenig zu forsch agiert zu haben. Der Richter brach die Vernehmung des Zeugen Enrico T. ab, ohne dass der sich zum Beweisthema, der Pistole Ceska 83, geäußert hätte. Mit der Waffe hatten die NSU-Mörder Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt neun Migranten türkischer und griechischer Herkunft erschossen.

Zeuge Enrico T. bekommt einen Anwalt

Nach mehr als einer Stunde Disput mit den Verteidigern von Beate Zschäpe und Ralf Wohlleben stimmte Götzl zu, Enrico T. einen Anwalt als Zeugenbeistand zur Seite zu stellen, auf Kosten des Staates. Der Versuch des Richters, gleich zum Beginn des Verhandlungstages flott in die Vernehmung von Enrico T. einzusteigen, war misslungen.

Dass der Zeuge einen Anwalt brauchen könnte, ist allerdings nahe liegend. Nach Ansicht der Bundesanwaltschaft war Enrico T. zumindest mittelbar in die Beschaffung der Ceska 83 für den NSU verstrickt. Der Zeuge soll für den mutmaßlichen Waffenlieferanten Jürgen L. den Kontakt zu einem Schweizer hergestellt haben, der seinerseits die Pistole über einen Strohmann in seinem Heimatland erworben hatte.

Gegen Enrico T. ist allerdings kein Ermittlungsverfahren anhängig. Er beklagte jedoch in den wenigen Sätzen, die er am Dienstag von sich gab, dass die Polizei seine Wohnung durchsucht und zuvor die Tür eingetreten habe. Außerdem sei er bei Vernehmungen in Karlsruhe – dort sitzt die Bundesanwaltschaft – angeschrieen worden. Er fühle sich, sagte Enrico T. jetzt, als Beschuldigter. Auch wenn er das nicht ist. Die Bundesanwaltschaft geht nicht davon aus, dass Enrico T. wusste, dass mit der Waffe Morde verübt werden sollten. Sollte Enrico T. nur geholfen haben, illegal eine Pistole zu beschaffen, wäre diese Tat verjährt.

Vernehmung wird erst Ende April fortgesetzt

Für die Verteidiger von Zschäpe und Wohlleben ist aber nicht auszuschließen, dass Enrico T. sich bei einer Aussage im Prozess selbst belasten würde. Darauf hatte Richter Götzl den Zeugen auch gleich zu Beginn hingewiesen und betont, Enrico T. müsse nicht auf Fragen antworten, wenn er sich mit einer wahrheitsgemäßen Aussage einer strafrechtlichen Verfolgung aussetzen würde. Doch die Verteidiger betonten, Enrico T. benötige angesichts mangelnder juristische Sachkenntnis einen Anwalt, um zu wissen, wann eine Aussage riskant wird.

Der Zeuge soll nun am 28. April wieder im Prozess erscheinen, im Beisein eines Anwalts. Ob er sich dann äußern wird, ist allerdings offen. Am Dienstag sagte T., er wolle gar nichts sagen.

Anwälte der Nebenklage halten die Intervention der Verteidiger für einen weiteren Versuch, einen Zeugen so zu verunsichern, dass er den Mund nicht mehr aufmacht. Im November forderte Wohllebens Verteidiger Olaf Klemke eindringlich, der Zeuge Andreas S. müsse von einem Anwalt beraten werden. Andreas S. hatte gegenüber der Polizei zugegeben, die Ceska 83 dem Angeklagten Carsten S. verkauft zu haben, zusammen mit einem Schalldämpfer und 50 Patronen. Carsten S. hatte die Waffe dann Mundlos und Böhnhardt in Chemnitz übergeben.

Ein Ermittlungsverfahren gegen Andreas S. gibt es allerdings nicht. Dennoch willigt Götzl ein, den Mann nur in Anwesenheit eines Zeugenbeistands befragen zu lassen. Anders als an diesem Dienstag hatte Götzl aber gar nicht erst versucht, den Zeugen in eine Vernehmung zu ziehen.

Im Januar kam Andreas S. mit einem Anwalt wieder zum Prozess – um zu sagen, dass er nichts sagt. Der Strafsenat hörte dann im Februar einen Kriminalpolizisten, der Andreas S. vernommen hatte. Der Beamte bestätigte das Geständnis von S. und zitierte den zentralen Satz: „Ich hab’ dem die Scheißknarre besorgt“. Die Beweisaufnahme zur Ceska 83 kam einen Schritt voran. Doch bei weitem nicht in dem Tempo, das Götzl sich vorgestellt hatte.  

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