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Beate Zschäpe vor Gericht in München.

© REUTERS

NSU-Prozess: Ex-Polizist soll rasch zu möglichen NSU-Anschlägen in Berlin aussagen

Haben Beate Zschäpe und Uwe Mundlos die Synagoge in der Berliner Rykestraße als Anschlagsziel ausgespäht? Im NSU-Prozess will das Gericht überraschend schnell einen Augenzeugen dazu hören.

Von Frank Jansen

Überraschung im NSU-Prozess am Oberlandesgericht München: Der Vorsitzende Richter Manfred Götzl hat ungewöhnlich schnell einen ehemaligen Polizisten als Zeugen geladen, der im Mai 2000 Beate Zschäpe und Uwe Mundlos in Berlin nahe der Synagoge in der Rykestraße gesehen haben will. Erst vergangene Woche hatte der Opferanwalt Yavuz Narin einen entsprechenden Beweisantrag gestellt. Narin vermutet, Zschäpe und Mundlos hätten die Synagoge ausgespäht, um einen Anschlag zu planen, auf den der NSU aber womöglich wegen der Polizeipräsenz verzichtete.

Richter Götzl wartete nun nicht einmal die Stellungnahmen der Prozessparteien in der Hauptverhandlung ab und bestellte den Zeugen Frank G. für den 26. Oktober nach München. In den vergangenen Monaten hatten Götzl und sein Strafsenat reihenweise Beweisanträge von Nebenklage-Anwälten abgewiesen.

Mit seiner raschen Verfügung signalisiert Götzl offenkundig, dass er den früheren, inzwischen pensionierten Polizisten für einen wichtigen Zeugen hält. Frank G. hatte am 7. Mai 2000 als Objektschützer die Synagoge bewacht. Dem Beamten fiel eine Gruppe von zwei Männern, zwei Frauen und zwei Kindern auf, die in einem Lokal in Sichtweite des jüdischen Gotteshauses saßen. Die Erwachsenen beschäftigten sich mit einem Stadtplan. Später beobachtete der Polizist zwei Personen der Gruppe, mutmaßlich Zschäpe und Mundlos, nochmal in der Nähe der Synagoge. Am Abend sah Frank G. zufällig in der MDR-Sendung „Kripo live“ einen Beitrag über die untergetauchten Rechtsextremisten Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe. Der Beamte war sich sofort sicher, Mundlos und Zschäpe seien die Personen, die er Stunden zuvor bei der Synagoge gesehen hatte.

Frank G. erkannte auf Fotos Zschäpe und Mundlos

Am nächsten Tag berichtete der Polizist dem Berliner Landeskriminalamt über seine Beobachtungen. Frank G. erkannte auf Fotos Zschäpe und Mundlos, die 1998 gemeinsam mit Uwe Böhnhardt untergetaucht waren. Die weiteren Ermittlungen der Polizei brachten aber kein Ergebnis. Erst nach dem Ende des NSU im November 2011 befasste sich die Behörde noch einmal mit der Spur der Terrorzelle nach Berlin. Doch erst in diesem Oktober wurde im Prozess dank der Recherchen des Opferanwalts Narin die ganze Geschichte bekannt.

Der Fall könnte für Zschäpe unangenehm werden. Der Verdacht, sie habe sich im Mai 2000 mit dem späteren NSU-Mörder Uwe Mundlos an der Ausspähung einer Synagoge in Berlin beteiligt, passt womöglich zum Vorwurf der Bundesanwaltschaft, die Hauptangeklagte sei bei allen Verbrechen des NSU die Mittäterin gewesen. Mundlos und Böhnhardt hatten zehn Morde, drei Sprengstoffanschläge und 15 Raubüberfälle verübt. Zschäpe bestreitet, an den Taten mitgewirkt zu haben. Allerdings zündete sie am 4. November 2011 die gemeinsame Wohnung in Zwickau an, nachdem sich Mundlos und Böhnhardt in Eisenach erschossen hatten. Außerdem verschickte Zschäpe an mehrere Adressen Exemplare der DVD, auf der sich die Terrorzelle zu den Morden und Bombenanschlägen bekennt.

In der Berliner jüdischen Gemeinde war schon vergangene Woche die Hoffnung zu hören, das Münchener Gericht werde der Spur des NSU in Richtung Hauptstadt nachgehen. Auch wegen der drei Sprengstoffanschläge auf den jüdischen Friedhof in Charlottenburg, die bis heute ungeklärt sind. 1998 explodierten an der Grabstätte von Heinz Galinski, des früheren Präsidenten des Zentralrats der Juden, zweimal Rohrbomben. 2002 flog ein Sprengsatz in den Eingangsbereich des Friedhofs und beschädigte die Trauerhalle.

Der frühere Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, Andreas Nachama, appellierte vergangene Woche an Richter Götzl, Beate Zschäpe zu möglichen Aktivitäten des NSU in Berlin zu befragen. „Ich halte es für sehr dringlich, da Licht reinzubringen“, sagte Nachama, der heute in Berlin die Stiftung Topographie des Terrors leitet, dem Tagesspiegel. Der Verdacht, der NSU könnte mit den drei Anschlägen auf den Friedhof zu tun haben, wird zudem durch ein Indiz gestützt. Im Brandschutt der von Zschäpe angezündeten Wohnung in Zwickau fand die Polizei eine Adressenliste, auf der auch die Anschrift des jüdischen Friedhofs in Charlottenburg verzeichnet ist.

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