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NSU-Prozess: Der Platz der Hauptangeklagten Beate Zschäpe im Oberlandesgericht in München

© dpa/Tobias Hase/Pool

Update

NSU-Prozess: Nebenklage attackiert Bundesanwaltschaft

Nach wochenlangem Stillstand geht der NSU-Prozess in München in eine neue Phase. Die Plädoyers der Nebenklage beginnen - mit Vorwürfen vor allem gegen die Ermittler.

Von Frank Jansen

Mit heftigen Vorwürfen gegen Bundesanwaltschaft, Polizei und Verfassungsschutz haben am Mittwoch im NSU-Prozess die Plädoyers der Nebenkläger begonnen. Sie habe kein Verständnis dafür, dass sich die Bundesanwaltschaft mit der einfachen Antwort zufrieden gebe, das Trio Beate Zschäpe, Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos sei isoliert gewesen, sagte die Kölner Anwältin Edith Lunnebach zu Beginn ihres Vortrags im Oberlandesgericht München. Lunnebach vertritt eine Iranerin, die im Januar 2001 als 19-Jährige bei der Explosion einer Sprengfalle im Lebensmittelgeschäft ihres Vaters in der Kölner Probsteigasse schwer verletzt wurde.

Die Bundesanwaltschaft geht in der Anklage davon aus, dass Böhnhardt oder Mundlos im Dezember 2000 eine präparierte Christstollendose in dem Laden abgestellt hatte. Lunnebach hingegen glaubt, ein Komplize des NSU aus der rechten Szene in Köln, der als V-Mann für den Verfassungsschutz tätig war, habe den Sprengsatz in dem iranischen Geschäft hinterlassen. Die Juristin vermutet, der Spitzel sei unbehelligt geblieben, weil der Verfassungsschutz „seine schützende Hand“ über den Mann halte.

Lunnebach hielt zudem der Kölner Polizei vor, sie habe schwere Fehler gemacht. Durch „leichtfertige Borniertheit“ sei die Chance vertan worden, weitere Anschläge des NSU zu verhindern. Aus Sicht Lunnebachs hätten die Ermittler unverzüglich dem Verdacht nachgehen müssen, der Sprengstoffanschlag sei ausländerfeindlich und rechtsextrem motiviert.

Die Anwältin Edith Lunnebach vertritt eine iranische Nebenklägerin.
Die Anwältin Edith Lunnebach vertritt eine iranische Nebenklägerin.

© REUTERS

Monatelange Verzögerung

Der Beginn der Plädoyers der Nebenkläger hatte sich monatelang verzögert. Die Verteidiger der Angeklagten André E. und Ralf Wohlleben, ehemals Vizechef der Thüringer NPD, blockierten seit Mitte September mit einer Serie von Befangenheitsanträgen die Fortsetzung der Schlussvorträge. Anlass war die Entscheidung des 6.Strafsenats, André E. in Untersuchungshaft zu stecken.

Die Bundesanwaltschaft hatte am 12. September beim Abschluss ihres Plädoyers zwölf Jahre Haft für den Neonazi gefordert sowie Untersuchungshaft wegen Fluchtgefahr. Als die Richter einen Tag später dem Antrag folgten, konterten die Verteidiger über Wochen hinweg mit Befangenheitsanträgen. Der Strafsenat sah sich mehrmals gezwungen, die Hauptverhandlung für längere Zeit zu unterbrechen. Seit dem 12. September konnte der Prozess nur an vier Tagen fortgeführt werden. Die Attacken der Verteidiger blieben jedoch erfolglos. Alle Befangenheitsanträge gegen die Richter wurden von Kollegen abgewiesen.

André E. war nach Ansicht der Bundesanwaltschaft am Anschlag auf das iranische Geschäft beteiligt. Er soll das Wohnmobil gemietet haben, mit dem Böhnhardt und Mundlos im Dezember 2000 nach Köln fuhren. Die Bundesanwaltschaft spricht von Beihilfe zu versuchtem Mord an der jungen Iranerin. Die Frau, die als Zeugin im Prozess auftrat, leidet weiter unter den Folgen der Explosion. Aus Angst vor weiteren Angriffen von Rechtsextremisten haben das Opfer und seine Familie die Medien gebeten, die Namen nicht zu nennen.

Massive Vorwürfe gegen die Bundesanwaltschaft äußerte am Nachmittag auch der Berliner Anwalt Mehmet Daimagüler in seinem Plädoyer. Er vertritt Angehörige der in Nürnberg von Böhnhardt und Mundlos erschossenen Türken Abdurrahim Özüdogru und Ismail Yasar. Für den Anwalt hat die Bundesanwaltschaft sich über das Versprechen hinweggesetzt, das Bundeskanzlerin Angela Merkel im Februar 2012 in Berlin bei der Gedenkfeier für die Opfer der Anschläge gegeben hatte. „Wir tun alles, um die Morde aufzuklären und die Helfershelfer und Hintermänner aufzudecken und alle Täter ihrer gerechten Strafe zuzuführen“, zitierte Daimagüler die Kanzlerin.

Die Bundesanwaltschaft lege jedoch großen Wert darauf, „die Fehler der Polizei zu entthematisieren“, sagte der Anwalt. Die Polizei hatte nach den Morden des NSU an den neun Migranten jahrelang ermittelt, ob die Opfer und ihre Angehörigen in kriminelle Machenschaften verwickelt waren. Daimagüler hielt der Bundesanwaltschaft auch vor, sie haben vermeiden wollen, dass über die Verstrickung des Verfassungsschutzes gesprochen werde. Das werde schon deutlich „an der Anzahl von V-Leuten, die in der Anklageschrift fehlten“.

Für den Anwalt handelt es sich um ein strukturelles Versagen der Bundesanwaltschaft. Daimagüler nannte als weiteren umstrittenen Fall die Ermittlungen zum Anschlag eines Rechtsextremisten auf das Münchner Oktoberfest 1980. Für die Bundesanwaltschaft sind Hintermänner bislang nicht zu beweisen. Zwei Verteidiger Zschäpes grätschten dann in Daimagülers Plädoyer - das Oktoberfestattentat habe nichts mit dem NSU-Verfahren zu tun. Der Vorsitzende Richter Manfred Götzl ließ Daimagüler jedoch weiter vortragen. Diesen Donnerstag will der Anwalt sein umfangreiches Plädoyer fortsetzen.

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