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Die Hauptangeklagte Beate Zschäpe.

© dpa

NSU-Prozess: Qual ohne Ende

Der NSU-Prozess zieht sich in die Länge. Für viele Prozessteilnehmer ist das belastend. Die Hauptangeklagte Beate Zschäpe aber wirkt nicht so.

Von Frank Jansen

Sie redet auf den jungen Verteidiger ein, sie fixiert Opferanwälte, sie lächelt Justizwachmeister an. Beate Zschäpe, so scheint es, ist im NSU-Prozess in ihrem Element. Auch wenn sie weiter nicht zur Sache spricht. Zschäpes stückweise „Einlassung“ tragen die Verteidiger Mathias Grasel und Hermann Borchert vor. Dennoch ist die Hauptangeklagte nahezu die einzige Teilnehmerin des Mammutverfahrens, die unbeschwert wirkt. Ihre Schwächephase vom vergangenen Sommer hat Zschäpe überstanden. Dass Anwälte und Journalisten die nun schon 39 Monate dauernde Hauptverhandlung als eine endlos scheinende Qual empfinden, ist von Zschäpes Gemüt offenbar weit entfernt.

Viele Prozessteilnehmer dürften den 305. Verhandlungstag am Dienstag herbeigesehnt haben. Es war der letzte vor der vierwöchigen Sommerpause, der Erholungsbedarf erscheint gewaltig. Obwohl oder gerade weil schon seit Monaten im Saal A 101 des Oberlandesgerichts München nicht viel passiert. Die Beweisaufnahme zu den zehn Morden, zwei Sprengstoffanschlägen und 15 Raubüberfällen der Terrorzelle NSU sowie zur Brandstiftung Zschäpes in Zwickau ist weitgehend absolviert. Mehr als 500 Zeugen wurden gehört. Der 6. Strafsenat unter Vorsitz von Manfred Götzl arbeitet jetzt Details ab.

Am Dienstag wurde ein ehemaliger Polizist aus Jena zur politischen Einstellung des Angeklagten Ralf Wohlleben befragt. Wohlleben ist schon lange bekennender Rechtsextremist, viel Neues gibt es da nicht. Doch Götzl und seine Kollegen wollen offenbar nicht die geringste Schwachstelle für die nach dem Urteil zu erwartende Revision der meisten, wenn nicht aller Angeklagten bieten. Wohlleben jedenfalls wird, da gibt es kaum Zweifel, den Gang zum Bundesgerichtshof in Karlsruhe antreten. Weil ihm eine harte Strafe nahezu sicher ist. Der Strafsenat hat mehrmals Anträge auf Entlassung Wohllebens aus der Untersuchungshaft abgelehnt.

Was wird mit Wohlleben?

Wohlleben sitzt seit Ende November 2011 hinter Gittern und damit fast genauso lange wie Zschäpe. Die anderen drei Angeklagten waren schon vor Prozessbeginn wieder auf freiem Fuß. Wohlleben hingegen hat gerade erst im Juli wieder eine Niederlage einstecken müssen. Die Richter wiesen mehrere Beweisanträge ab, weil die geforderte Ladung weiterer Zeugen „zur Erforschung der Wahrheit“ nicht erforderlich sei. Die Wahrheit ist aus Sicht der Richter offenkundig das, was in der Anklage der Bundesanwaltschaft steht. Demnach gelangte die Mordwaffe Ceska 83 von zwei Schweizern über mehrere Mittelsmänner zu Wohlleben und dem Mitangeklagten Carsten S.

Dieser hat in seinem Geständnis Wohlleben als Drahtzieher und Geldgeber des Waffendeals bezeichnet. Auch das scheint der Strafsenat zu glauben. Mit der Pistole hatten die NSU- Terroristen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt neun Migranten türkischer und griechischer Herkunft erschossen. Komplexer ist die Sache bei Zschäpe. Unstreitig ist nur, dass sie die Wohnung in Zwickau angezündet hat, in der sie mit Mundlos und Böhnhardt lebte. Vermutlich – sicher ist es nicht – wird das Gericht Zschäpe als Mitglied der Terrorzelle und damit als Mittäterin bei den Morden, Sprengstoffanschlägen und Raubüberfällen einstufen.

Zschäpe selbst hat mit ihrer im Dezember begonnenen Einlassung versucht, sich als Opfer darzustellen. Als schwache Frau, die dem fanatischen Männerduo emotional ausgeliefert war und weder Morde noch Anschläge wollte. Die Einlassung wird angezweifelt. Im Juli haben nun Opferanwälte hunderte Fragen gestellt. Ob Zschäpe antwortet, liegt wohl an den neuen Verteidigern Grasel und Borchert. Mit den drei alten Anwälten ist sie zerstritten. Der Konflikt kostet Zeit – und es bleibt unklar, was die neuen Verteidiger nach der Sommerpause zu den Fragen der Opferanwälte präsentieren. Kommt nichts, übernimmt Götzl vielleicht Fragen. So oder so, die Antworten könnten dauern. Wie auch die Plädoyers, die dann folgen dürften. Götzl hat vorsorglich Prozesstage bis September 2017 aufgelistet.

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