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Der NSU-Untersuchungsausschuss ist entsetzt über das Kompetenzgerangel zwischen den Behörden, das die Ermittlungen im Fall der Mordserie behindert hat.

© dapd

NSU-Untersuchungsausschuss: Viel Gerangel, null Erfolg

Im NSU-Untersuchungsausschuss schildern Zeugen den Wirrwarr bei den Ermittlungen zur Terrorzelle.

Von Frank Jansen

Die Kritiken sind vernichtend. „Ich bin fassungslos“, sagt der Grünen-Abgeordnete Wolfgang Wieland, CDU-Mann Clemens Binninger spricht von einem „Zuständigkeitstheater“, die SPD-Kollegin Eva Högl konstatiert „schwere Fehler“. Und es ist Wieland, der die möglichen Folgen des in drei Sitzungstagen erlebten Trauerspiels für die Sicherheitsarchitektur andeutet: „Das alles ist keine Werbeveranstaltung für unseren Föderalismus.“ Der Untersuchungsausschuss des Bundestages zur Terrorgruppe „Nationalsozialistischer Untergrund (NSU)“ ist nach den bis Freitag gehörten Aussagen von Zeugen aus Polizei und Staatsanwaltschaft kollektiv entrüstet.

Den Unmut weiter angefacht hat jetzt ein Beamter des Bundeskriminalamts (BKA), Christian Hoppe. Der Kriminaldirektor mit dem Schnauzbart liefert weitere Details zum Geschacher um Kompetenzen bei den Ermittlungen zu den bundesweiten NSU-Morden an neun Kleinunternehmern türkischer und griechischer Herkunft. Phase eins, von der Hoppe weiß, auch wenn er noch nicht beteiligt war: 2004, nach den ersten fünf Tötungsverbrechen, die keinem Täter zugeordnet werden konnten, bieten die federführenden Ermittler in Nürnberg dem BKA an, die Regie bei der Suche nach Tatverdächtigen zu übernehmen. Doch das BKA lehnt ab – beteiligt sich aber mit „Struktur-Ermittlungen“.

Die Polizei hat die Urlaubsbilder der Terrorzelle veröffentlicht. Sie erhofft sich Hinweise.

Phase zwei: Hoppe hat Anfang 2006 das BKA-Referat übernommen, in dem eine Ermittlungsgruppe mit den Morden befasst ist. Im Frühjahr dann, die NSU-Terroristen haben vier weitere Migranten erschossen, hält das BKA die Übernahme der Ermittlungen für dringend geboten. Hoppe regt sogar an, das Bundesinnenministerium solle notfalls Bayern und die anderen von den Morden betroffenen Länder zwingen, die zentrale Kompetenz an das BKA abzugeben. Doch Bayern widerspricht, Hessen will auch nicht. Beim Treffen der Innenministerkonferenz im Mai 2006, hoch oben im Ausflugslokal auf der Zugspitze, setzt sich der damalige Chef des bayerischen Innenressorts, Günther Beckstein (CSU), durch. Abgeordnete im Untersuchungsausschuss berichten, Beckstein habe gedroht, eine Abgabe der Ermittlungen von der in Nürnberg gebildeten Sonderkommission „BAO Bosporus“ an das BKA sei eine „Kriegserklärung“. Das will Wolfgang Schäuble (CDU), zu diesem Zeitpunkt Bundesinnenminister, offenbar nicht riskieren. So ermitteln unter dem Dach von „Bosporus“ fünf Staatsanwaltschaften und sechs Polizeidienststellen weiter – mal mehr, mal weniger koordiniert. Und ohne jeden Erfolg.

Phase drei: 2007 flammt die Debatte um eine Abgabe der Ermittlungen an das BKA wieder auf. Doch jetzt will Hoppe nicht mehr. Er habe seine Ermittlungsgruppe und sein Personal „nicht opfern“ wollen, sagt er. Das passierte auch nicht, das BKA blieb bei der Aufklärung einer der größten Mordserien der Geschichte der Republik in einer Nebenrolle. Sarkastisch kommentiert CDU-Obmann Binninger: „Mein Fall, meine Spuren, mein Personal – bloß nichts abgeben.“ Wieland ätzt: „Hauptsache, ich bin zuständig und bleibe zuständig.“ Die Sprüche zielen allerdings nicht nur auf Hoppe, gemeint sind auch Nürnbergs Staatsanwaltschaft und Bayerns Innenministerium.

Der Ausschuss will nun am 24. Mai Beckstein hören. Schäuble soll sich später ebenfalls den Abgeordneten stellen.

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