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Politik: Nüchternes Kalkül

Fünf Jahre nach Mord an Ex-Ministerpräsident Hariri normalisiert Libanon seine Beziehung zu Syrien

Sie war die spektakulärste Bluttat seit Ende des libanesischen Bürgerkriegs. Am 14. Februar 2005 legte eine gewaltige Bombe nahe der Corniche von Beirut eine Häuserzeile in Schutt und Asche. Der Selbstmordanschlag galt dem Milliardär und langjährigen Ministerpräsidenten Rafik Hariri. Der 61-Jährige war sofort tot, mit ihm starben 22 Menschen. Am Sonntag jährt sich nun zum fünften Mal dieser brutale Mord, der weltweit einen Aufschrei der Empörung auslöste. Wieder werden zehntausende Libanesen zum Gedenken auf dem Märtyrer-Platz im Zentrum der Hauptstadt zusammenkommen, auch wenn sich der politische Aufruhr, der in der Zedernrevolution gipfelte, weitgehend gelegt hat.

Fünf Jahre später dominiert wieder nüchternes politisches Kalkül. Syrien verfügt mit der Hisbollah nach wie vor über mächtige Freunde, auch wenn es seinen Einfluss im Libanon heute indirekter und subtiler ausübt. Das im März 2009 eingesetzte UN-Sondertribunal in Den Haag setzte als eine der ersten Amtshandlungen die vier verhafteten libanesischen Generäle auf freiem Fuß. Und auf der internationalen Bühne ist Damaskus wieder eine gefragte Adresse. Politiker der Europäischen Union machen regelmäßig ihre Aufwartung, Washington ernannte einen neuen Botschafter. Saudi-Arabiens betagter König Abdullah reiste im letzten Oktober zum ersten Mal in seiner Thronzeit nach Damaskus. Der langjährige Rivale Türkei wiederum erklärte sich bereit, Syriens indirekte Friedensgespräche mit Israel zu vermitteln. „Wenn man wirklich Frieden in der Region will, kann man mich nicht isolieren, ich bin ein Teil der Lösung“, erklärte der umworbene syrische Staatschef selbstbewusst.

Im August letzten Jahres vereinbarte Libanons Präsident Michel Suleiman bei seinem „historischen Besuch“ in Damaskus zum ersten Mal in der Geschichte beider Länder den Austausch von Botschaftern. Kurz vor Weihnachten folgte ihm Hariri junior als frisch gebackener Ministerpräsident. Mit seinem Besuch aber setzte ausgerechnet der 39-jährige Sohn des Opfers einen vorläufigen Schlusspunkt unter das mysteriöse Mordkapitel. Denn er weiß, dass in Beirut nichts geht gegen den Willen von Damaskus. „Negative Gefühle nützen weder Syrien noch Libanon“, erklärte der Regierungschef, den die Hisbollah vor seiner Wahl monatelang im Beiruter Parlament zappeln ließ.

Auch die Vorwürfe, Syrien stecke hinter dem Mord an seinem Vater, kommen Saad Hariri nicht länger über die Lippen. Er vertraue auf die Arbeit des UN-Sondertribunals, heißt es knapp aus seiner Umgebung. Dem Gerichtshof in Den Haag jedoch sind kürzlich zwei seiner wichtigsten Mitarbeiter durch Rücktritt abhanden gekommen. Im Libanon winkt man ohnehin enttäuscht ab. „Noch ist das Tribunal nicht tot“, heißt es in einem Kommentar. „Aber es ist schon fast tot.“

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