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Politik: Nur die Wirtschaft zählt

Kolumbiens umstrittener Präsident wirbt in Berlin um Investoren

Von Bernd Radowitz,

Rio de Janeiro

Dass seine Europareise eine schwierige Mission werden würde, spürte Kolumbiens Präsident Alvaro Uribe schon am vergangenen Dienstag im Straßburger Europaparlament: Etwa 50 Abgeordnete der Vereinigten Europäischen Linken, der Grünen und der Liberalen verließen demonstrativ den Plenarsaal beim Auftritt des wegen seines unerbittlichen Kurses gegen die linksgerichtete Guerilla-Organisation Farc umstrittenen Staatsoberhauptes. Mehr als die Hälfte der Europaabgeordneten war erst gar nicht erschienen. Der 51-jährige Uribe, der 2002 dem im Kampf gegen die Rebellen gescheiterten Präsidenten Pastrana ins Amt gefolgt war, gilt den einen als ultrarechter Hardliner, andere sehen in ihm den Retter Kolumbiens vor der Gefahr der linken Extremisten, die vor allem durch Entführungen versuchen, ihre politischen Ziele erpresserisch durchzusetzen.

Seit Donnerstag ist Uribe in Berlin. Am Abend sollte er auf Einladung der Lateinamerika-Initiative im Haus der Deutschen Bank einen Vortrag über wirtschaftliche Möglichkeiten für deutsche Investoren in Kolumbien halten. Für Freitag ist nach dem Empfang durch Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) ein Arbeitsgespräch mit Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) geplant.

Der kolumbianische Präsident dringt auf eine Fortsetzung von EU-Handelsvorteilen für sein vom Bürgerkrieg und Drogenhandel gebeuteltes Andenland. Bei der EU-Kommission hatte er auf eine Verlängerung der Ende nächsten Jahres auslaufenden besonderen Handelsbedingungen geworben, die kolumbianische Exporte in die Europäische Union begünstigen. Dass er zugleich bemüht sein würde, in Europa seine umstrittene Politik der „harten Hand“ zu verteidigen, lag auch angesichts einer für den Herbst geplanten Geberkonferenz für Kolumbien nahe.

Obwohl Experten eine rein militärische Lösung des Bürgerkriegs für unwahrscheinlich halten, kann Uribe im Kampf gegen Drogenmafia und Guerillagruppen zumindest Teilerfolge verbuchen. So fiel die Mordrate um 22 Prozent und die Zahl der Entführungen um 35 Prozent. Nach jüngsten Umfragen genießt Uribe die Zustimmung von etwa 80 Prozent der Bevölkerung. Umstritten ist jedoch sein Programm, das rechtsgerichteten Paramilitärs weitgehende Strafminderung zusichert, wenn sie ihre Waffen niederlegen. Menschenrechtsgruppen wie Human Rights Watch sind auch besorgt über ein neues Anti-Terror-Gesetz, das der Armee das Abhören von Telefonen, Durchsuchungen und Festnahmen ohne gerichtliche Befugnis erlaubt. Die Bundesregierung dürfte weiterhin auf eine Verhandlungslösung im kolumbianischen Bürgerkrieg drängen, meint Wolf Grabendorff, Lateinamerika- Spezialist und Leiter der Friedrich-Ebert-Stiftung in Bogota. Außerdem müsse Uribe „die Menschenrechtsbedenken ernster nehmen", so Grabendorff.

Bernd Radowitz[Rio de Janeiro]

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