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Politik: Nur keine neue Benzinpreis-Debatte

Fritz Kuhn ist kleinlaut - mit Absicht. "Wir lösen uns etwas von der Frage, wieviel wird das Benzin teurer", sagt der Vorsitzende der Grünen, als er am Montag in Berlin den Entwurf des Bundestagswahlprogramms seiner Partei vorstellt.

Von Matthias Meisner

Fritz Kuhn ist kleinlaut - mit Absicht. "Wir lösen uns etwas von der Frage, wieviel wird das Benzin teurer", sagt der Vorsitzende der Grünen, als er am Montag in Berlin den Entwurf des Bundestagswahlprogramms seiner Partei vorstellt. Eine plakative Aussage wie 1998, als die Partei die schrittweise Anhebung des Benzinpreises auf fünf Mark pro Liter forderte? Nichts da! Bewusst lege sich die Partei nicht auf ein konkretes Modell fest, "weil das natürlich auch Gegenstand der Verhandlungen mit dem Koalitionspartner sein wird".

"Acht für acht" lautet die neue Losung der Grünen - acht zentrale Forderungen stehen im Programm, mit denen die Partei auf mindestens acht Prozent der Stimmen zulegen will. Neben mehr Arbeitsplätzen durch ökologisches Wirtschaften wollen die Grünen für eine andere Energiepolitik, gesundes Essen und ein besseres Leben von Kindern streiten. Deutschland soll als Einwanderungsland gestaltet, die europäische Demokratie gestärkt und die Globalisierung gerechter werden. Noch eindeutiger als bisher setzen die Grünen aufs weibliche Geschlecht: Frauen sollen "die Hälfte der Macht" bekommen, heißt es in dem Programmentwurf, der Anfang Mai auf einem Bundesparteitag in Wiesbaden verabschiedet werden soll.

Der Bundestagswahlkampf 1998 war für die Grünen ziemlich schief gelaufen. Bei der Wahl vor vier Jahren landete die Partei bei 6,7 Prozent. Im März 1998 hatte ein Parteitag in Magdeburg heftig um das Ökosteuerkonzept gestritten - und sich schließlich auf eine Zielmarke von fünf Mark festgelegt. "Das fechten wir jetzt gemeinsam durch", versprach Joschka Fischer damals seinen Parteifreunden. Heute lässt er sich ungern daran erinnern, dass er den Benzinpreisbeschluss vor vier Jahren als "weise Entscheidung" kommentierte. Das neue 47-seitige Wahlprogramm liest sich nun in Passagen so, als hätten die Grünen-Spitzenpolitiker Kreide gefressen: "Die Ökosteuer wollen wir im Einklang mit den sozialen und ökonomischen Realitäten weiterentwickeln. Allen Anfeindungen zum Trotz ist das Prinzip richtig, den Faktor Umwelt zu belasten und den Faktor Arbeit zu entlasten."

Die Grünen werben um die Fortsetzung der rot-grünen Koalition. Gestärkt will seine Partei in den Bundestag einziehen, um nicht weiterhin "in vielen Punkten" durch die SPD "gebremst" zu werden, wie Kuhn erläuterte. Der große Koalitionspartner habe "auch strukturkonservative Elemente", kritisierte der Grünen-Chef.

Joschka Fischer selbst schaltete sich in die Debatte zum Wahlprogramm ein, und riet seinen Parteifreunden, ausdrücklich die Unterschiede zur Union zu betonen. Nun stellen die Grünen eine "Haltung der Weltoffenheit" Edmund Stoibers Deutschlandbild der "deutschen Leitkultur" gegenüber. "Grün kämpft dafür, dass Erneuerung statt großkoalitionärem Stillstand unser Land prägt." Auch von der PDS grenzen sich die Grünen ab: "Wer die strukturkonservative PDS wählt, stärkt in Wahrheit Stoiber und schwächt damit ökologische und soziale Modernisierungspolitik."

Die Gesellschaftspolitik wird eines der Schwerpunktthemen im Grünen-Wahlkampf. Hier sehen die Grünen die Union besonders angreifbar, weil diese am klassischen Rollenverständnis von Mann und Frau hänge. Auch die Forderung nach einer Kinder-Grundsicherung ist im Wahlprogramm enthalten.

In vielen Punkten hat die Partei nur fortgeschrieben, was in der Bundestagsfraktion ohnehin Tagespolitik ist. Auf Streit ist die Debatte um das Wahlprogramm, die in den nächsten Wochen in den Kreisverbänden geführt werden soll, nicht angelegt. So stützte der Bundesvorstand den Entwurf denn auch einstimmig, auch aus dem Parteirat wurde keine Kritik laut. Strittig zur Abstimmung gestellt werden dem Wiesbadener Parteitag zwei eher nebensächliche Fragen: Soll die Meisterprüfung im Handwerk zwingende Voraussetzung für Selbständigkeit sein? Und: Muss die Gewerbesteuer abgeschafft werden? Gelernt haben will die Partei: Allzu plakative Aussagen könnten eher Stimmen kosten als neue bringen.

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