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Politik: Nur Schaden, keine Freude

Von Hermann Rudolph

Denkbar weit entfernt vom Ort des Schauspiels, das alle beschäftigt, in Bremen, hat die CDU beraten – und sich heftig auf die Zunge gebissen. Kein Kommentar zu dem Thema, über das sich alle das Maul zerreißen, dafür begütigende Worte der Vorsitzenden: Stoiber ist ein ehrenwerter Mann, mit dem sie gut zusammenarbeite. Die CDU weiß, weshalb: Wenn tatsächlich die Götterdämmerung der CSU beginnt, wird auch die Position der CDU erschüttert. Dann ist Angela Merkels Machtbasis gefährdet. Am Ende droht eine Veränderung der Kraftlinien in der gesamten deutschen Parteienlandschaft.

Natürlich kann man sich einreden, dass es in der deutschen Politik etwas rationaler zuginge, wenn Edmund Stoiber aufs Altenteil entschwände und die CSU etwas kleinlauter, weil schwächer würde. Es wäre auch nur menschlich, wenn die CDU und die Kanzlerin, die immer wieder von den Alleingängen des bayerischen Vorsitzenden und dem Widerstreben der CSU geplagt worden sind, über die selbstzerstörerische Auseinandersetzung in Bayern eine gewisse Genugtuung empfänden. Aber so tickt die seltsame Welt dieses singulärsten Bündnisses in der deutschen Politik nicht.

Diese Schwesterparteien haben ja, trotz ihrer unbezweifelbaren Eigenständigkeit, etwas Siamesisches. Denn keine von beiden kann ohne die andere leben – die CDU schafft ohne die CSU im Bund keine Mehrheit, die CSU wird ohne CDU zur Regionalpartei. Zugleich leidet die Verbindung, die in ihrer Fraktionsgemeinschaft im Bundestag für die Legislaturperiode fast zu einer Art von ehelichem Bund wird, unter einem folgenreichen Ungleichgewicht: die CSU klein, aber geschlossen, die CDU groß, aber von inneren Differenzen geprägt – und außerdem konnte die kleinere Schwester der größeren immer vorrechnen, dass auf ihre Wähler mehr Verlass war. Die CSU war für die Politik der Union über die Jahrzehnte hinweg Eckstein und Ärgernis, mal mehr das eine, mal mehr das andere.

Wenn da etwas ins Wackeln gerät, bebt – so viel ist klar – das ganze politische Gefüge der Union mit. Zumal es eine säkulare Wende wäre: Bislang wurde die CDU zumeist von der CSU mit deren Selbstbewusstsein ihres halben Jahrhunderts bayerischer Herrschaft und ihrer notorischen Geschlossenheit vorgeführt – oder gebremst, wenn sie in Gefilde zu entfleuchen suchte, die den Bayern nicht passten. Käme es dazu, dass die CSU-gefertigte Ordnungszelle Bayern der Vergangenheit angehörte, ergäbe sich ein ganz neues Parteien-Tableau in der Bundesrepublik. Die CDU müsste sich neu organisieren. Sie wäre – da sie fehlende bayerische Stimmen schwerlich mit Gewinnen aus anderen Regionen kompensieren könnte – auf neue Partner angewiesen.

Gut, auch als sich die CSU in den frühen 90er Jahren Stoibers Vorgänger Streibl entledigte, ließ die parteiliche Kraftprobe die Kulissen wackeln. Nur wenig später zeigte sich die von der CSU gefertigte Mischung von Konservatismus und Modernität stark genug, um im Land Wahlen zu gewinnen und – mit Stoiber – die alte Rolle im Bund zu spielen. Das Drama um den Rückzug des Bauern aufs Altenteil blieb ein bayerisches Stück, weil der Nachfolger bereitstand und die Partei entschlossen reagierte. Schafft sie das heute noch? Wenn nicht, erleben wir im Moment in Bayern, vielleicht, den Beginn einer ganz neuen Konstellation im politischen Deutschland.

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