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Sebastian Remelé ist seit 2010 Oberbürgermeister der Stadt Schweinfurt. Diese hat die niedrigste Corona-Inzidenz Deutschlands.

© Montage: Tagesspiegel / Foto: Stadt Schweinfurt

Nur zwei Corona-Fälle in einer Woche: Schweinfurts OB erklärt Deutschlands niedrigste Inzidenz

Weniger Neuinfektionen hat keine Stadt und kein Landkreis in Deutschland, und zwar 3,7 pro 100.000 Einwohner. Schweinfurts Oberbürgermeister nennt die Gründe.

Die Kreisfreie Stadt Schweinfurt in Bayern hat derzeit die mit Abstand niedrigste Sieben-Tage-Inzidenz in der Corona-Pandemie. Tagesspiegel-Zahlen zufolge liegt sie am Dienstag (Stand 12 Uhr) bei 3,7 Fällen pro 100.000 Einwohner. In den vergangenen sieben Tagen gab es nur zwei Neuinfektionen in Schweinfurt. Wir haben mit Oberbürgermeister Sebastian Remelé (CSU), 52, über die Gründe gesprochen.

Herr Remelé, wie sind die geringen Fallzahlen in Schweinfurt im Allgemeinen zu erklären?
Ich habe die Frage vor ein paar Monaten auch schon mal umgekehrt beantworten müssen, damals hatten wir die dritthöchste Inzidenz in Bayern. Damals wie heute lässt es sich empirisch nicht erklären.

Gibt es denn Besonderheiten, die Schweinfurt von anderen Kreisfreien Städten und Landkreisen unterscheidet?
Ja, es gibt ein Phänomen, das uns von anderen Kreisfreien Städten unterscheidet: Wir haben einen hohen Altersquotienten. Viele Menschen wohnen in Schweinfurt in Pflege- oder Altenwohnheimen. Gibt es dort hohe Zahlen, verhagelt es einem natürlich die Statistik. So war es vor ein paar Monaten. Nun sind die Heime durchgeimpft und die Zahlen entsprechend niedrig. Hinzu kommt, dass sich viele ältere Menschen in ihren Haushalten seit Monaten in freiwilliger Quarantäne befinden.

Gibt es noch weitere Gründe?
Wir sind eine Inselstadt in einem sehr ländlich geprägten Landkreis Schweinfurt, 54.000 Einwohner verteilen sich auf 35 Quadratkilometer. Da lassen sich Ausbrüche relativ gut lokalisieren. Zudem haben wir, auch aufgrund der Altersstruktur, 50 Prozent Single-Haushalte. So lassen sich Kontakte gut reduzieren.

Haben Sie denn mit besonderen Maßnahmen auch aktiv entgegengewirkt?
Wir hatten die ohnehin schon harten Maßnahmen in Bayern nochmals sekundiert. Wir haben beispielsweise ein Maskengebot in der Innenstadt eingeführt und ein Alkoholverbot an bestimmten Plätzen in der Stadt.

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Das scheint gewirkt zu haben. Nun unterschreitet Schweinfurt die 35er-Inzidenz, die für Lockerungen ausgewiesen wurde, deutlich. Gibt es schon Pläne?
Wir haben die Ausgangssperre, die in Bayern zwischen 22 und 5 Uhr galt, gestern schon aufgehoben. Als nächstes wollen wir an die Kontaktbeschränkungen ran, damit sich wieder zwei Haushalte mit einer maximalen Personenzahl von fünf Personen treffen dürfen. Außerdem wollen wir nun die Besucherbeschränkungen für Pflege- und Altenwohnheime aufheben, und der Volkshochschule wieder die Erwachsenenbildung ermöglichen.

Die bayrische Stadt Schweinfurt hat eine Inzidenz von 3,7.
Die bayrische Stadt Schweinfurt hat eine Inzidenz von 3,7.

© Tagesspiegel

Haben Sie Bedenken, dass das die Zahlen wieder in die Höhe treiben könnte?
Wir wollen sanft lockern, ohne leichtsinnig zu werden. Ich denke, wir müssen den Bürgern Stück für Stück ihre Freiheit zurückgeben, wenn die Zahlen es erlauben.

Wie stehen Sie denn allgemein zur neuen Linie der Bundesregierung, die 35er-Inzidenz als Maßgabe zu nehmen?
Für uns Kommunalpolitiker kam das schon überraschend und mutete willkürlich an. Zuvor hieß es ja immer, eine Inzidenz von 50 wäre das Ziel. Das ist für uns jetzt eine neue Herausforderung. Wobei ich verstehe, dass manche politischen Maßnahmen immer auch eine willkürliche Komponente haben müssen, zumal unser Wissen über das Virus sich auch ständig verändert.

Was würden Sie sich denn noch von der Bundesregierung wünschen?
Ich finde es wichtig, dass wir uns nicht zu sklavisch an Inzidenzwerten orientieren, sondern vor allem schauen, ob das Gesundheitssystem der Belastung standhält. Wir haben in Schweinfurt beispielsweise trotz vieler älterer, vorerkrankter Menschen lediglich vier Corona-Patienten in Krankenhäusern, von denen zwei intensivmedizinisch behandelt werden. Auch daran sieht man, dass sich die Lage bei uns positiv entwickelt.

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