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Obama in der Krise: Das Prinzip Crash-Kurs

Amerika erlebt einen denkwürdigen Wettlauf der Unpopularität. Im Ausland wird Präsident Barack Obama weiter bewundert, im Inland jedoch sinken die Zustimmungswerte. Den oppositionellen Republikanern bringt das wenig: Sexskandale und der Rücktritt Sarah Palins stürzen die Konservativen immer tiefer in die Identitätskrise.

Amerika erlebt einen denkwürdigen Wettlauf der Unpopularität. Im Ausland wird Präsident Barack Obama weiter bewundert, im Inland jedoch sinken die Zustimmungswerte. Denn die Arbeitslosenzahl steigt schneller als befürchtet, das Konjunkturpaket zeigt bisher kaum Wirkung, seine vielfältigen Reformprojekte machen einigen Bürgern Angst. Die Republikaner können davon freilich nicht profitieren. Schlagzeilen erzielen sie nicht mit Gegenvorschlägen zu Obamas Wirtschafts- oder Außenpolitik, sondern mit Skandalen und politischen Manövern, die das Publikum ratlos machen.

Mitte Juni gestand John Ensign, Senator für den Staat Nevada, er habe zwischen Dezember 2007 und August 2008 eine außereheliche Affäre mit einer ungenannten Frau gehabt, die er als „Wahlkampfhelferin“ beschrieb. Zuvor hatte er sich als besonders wertetreuer und religiöser Konservativer hervorgetan, der die rechtliche Sonderstellung der Ehe hochhält. Seine Wohngemeinschaft mit gleichgesinnten Republikanern während der Sitzungstage in Washington trägt den Spitznamen „The Prayer House“. Er legte einige Parteiämter nieder, lehnt Rücktrittsforderungen aber ab.

Eine Woche später stellte sich heraus, dass der republikanische Gouverneur von South Carolina, Mark Sanford, ebenfalls eine Liebschaft unterhielt, in Argentinien. Offiziell hatte er sich für einige Tage zum Wandern in den Appalachen abgemeldet, entstieg dann aber einem Flugzeug aus Buenos Aires. In einer tränenreichen Pressekonferenz erläuterte er, dies sei kein Seitensprung, sondern er habe in der Südamerikanerin „meine Seelenverwandte“ gefunden; wegen der Heiligkeit seiner Ehe wolle er nun aber zu seiner Frau zurückkehren – die hat freilich längst die Trennung beantragt.

Am 3. Juli erklärte Sarah Palin ihren Rücktritt als Gouverneurin von Alaska, nach nur zweieinhalb Amtsjahren. Sie war seit ihren Auftritten als Vizepräsidentschaftskandidatin an der Seite John McCains 2008 die wohl populärste Figur für die republikanische Basis. Sie ließ offen, welche Zukunftspläne sie habe, und nährte damit Spekulationen, die die Medien während des langen Wochenendes um den Unabhängigkeitstag, einer nachrichtenarmen Zeit, breit diskutierten: Bereitet sie ihre Präsidentschaftskandidatur 2012 vor? Will sie der Aufdeckung eines noch unbekannten Skandals zuvorkommen oder Zeit gewinnen für ihr Buchprojekt, das ihr mehrere Millionen einbringen soll, oder überhaupt in der freien Wirtschaft das große Geld verdienen?

Bis heute verfolgen die beiden Affären und der Rücktritt die Republikaner und bescheren ihnen täglich neue Schlagzeilen. Im Fall Ensign kam heraus, dass seine Geliebte die Frau seines Washingtoner Büroleiters war, dass er ihr auch nach dem angeblichen Ende der Affäre nachstellte und dass seine vermögenden Eltern ihr 96 000 Dollar Entschädigung zahlten, aufgestückelt in steuerfreie Geschenkbeträge an die Frau, deren Mann und deren Kinder. Im Fall Sanford wurde bekannt, dass er mindestens eine Dienstreise nach Argentinien dazu nutzte, seine „Seelenverwandte“ zu besuchen. Für ihn ist das besonders peinlich, da er sich zum Gegenspieler Obamas beim Ziel des korrekten Umgangs mit Steuergeldern aufgeschwungen und einen Teil der Gelder aus dem Konjunkturpaket, die South Carolina zustehen, unter Verweis auf die Budgetdisziplin abgelehnt hatte.

Bei Sarah Palin tendiert die öffentliche Meinung zunehmend in die Richtung, dass ihr Rücktritt wohl doch nicht so selbstlos war, wie sie behauptet, sondern eine viel zu frühe Flucht aus der Verantwortung. Sie wolle mit ihrer Bekanntheit, die jetzt vermutlich auf dem Höhepunkt ist, Kasse machen. Sie hatte im Übrigen ihre Parteiführung nicht einmal vorgewarnt, ehe sie vor die Kamera trat.

Die Republikaner waren bereits in einer tiefen Identitätskrise, bevor diese drei Schläge sie trafen. Nur noch 23 Prozent der Bürger bezeichnen sich als feste Anhänger der Partei. Zu den Demokraten bekennen sich 35 Prozent. Die „Unabhängigen“ tendieren in überwältigender Mehrheit zu Obama. Die Konservativen müssen sich eingestehen, dass sie eine Minderheitenpartei sind – jedenfalls, solange sich an der strukturellen Lage nichts ändert und sie sich nicht neu positionieren. Sichtbarster Ausdruck ist der Senat, wo die Demokraten jetzt 60 von 100 Sitzen kontrollieren, die vetosichere Mehrheit. Das ist hart für die Republikaner, die in 12 der letzten 20 Jahre den Präsidenten stellten und denen man nach ihrem Kongresswahlsieg 1994 prophezeit hatte, sie würden auf Jahrzehnte eine strukturelle Mehrheit haben.

Die Partei ist sich jedoch nicht einig, wie sie sich aus der Lage befreien kann, weder inhaltlich noch personell. Eine vordergründige Geschlossenheit lässt sich leicht erzielen: durch Betonung ideologischer Prinzipien wie kleiner Staat, Steuersenkungen, absolutes Abtreibungsverbot, religiöse Werte. Damit wird die Partei aber nicht mehrheitsfähig. Will sie amerikaweit Wahlen gewinnen, muss sie sich für andere Gruppen öffnen und überzeugende Alternativen im politischen Alltag anbieten. Bisher ist keine Persönlichkeit sichtbar, die die Basis begeistern könnte und gleichermaßen Bürger, die sich von Obama abwenden aus Enttäuschung über seinen Kurs und dessen Ergebnisse. Derzeit scheinen die Republikaner allein auf Crash-Kurs zu setzen: Dass Obama an Rückhalt verliert, weil er die Wirtschaftskrise nicht in den Griff bekommt oder ein Anschlag die USA trifft. Auf Schaden für die Nation zu spekulieren ist eine gefährliche Strategie für eine Partei mit dem Motto „Country First“.

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