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Obama in Deutschland: Cooler Präsident trifft coole Kanzlerin

Das Verhältnis zwischen Barack Obama und Angela Merkel ist gut. Dresden ist ein Wunschtermin des US-Präsidenten - im Gegensatz zum Besuch des 65. D-Day in Frankreich.

Barack Obama besucht zum dritten Mal Deutschland. Vor einem knappen Jahr war er als Wahlkämpfer in Berlin und im Frühjahr machte er als Präsident während des Nato-Gipfels kurz in Baden-Baden und Kehl Station. Warum ausgerechnet Dresden? Weil die Umstände dieser Visite bis zum letzten Augenblick unklar blieben – und weil Obama nicht in der Hauptstadt Berlin, dafür aber in Paris übernachtet, mutmaßen einige, dass es zwischen dem US-Präsidenten und Kanzlerin Angela Merkel knirscht. Und dass stattdessen Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy das Wohlwollen des neuen Herrn im Weißen Haus genießt.

Das ist falsch. Natürlich hegen der Amerikaner und die Deutsche unterschiedliche Interessen. Washington wünschte sich mehr Begeisterung für sein Milliarden schweres Konjunkturprogramm und noch mehr Engagement der Bundeswehr in Afghanistan. Es stimmt auch, dass der Hawaiianer und die Mecklenburgerin miteinander fremdelten, als der schwarze Präsidentschaftskandidat in Berlin mehr als 200.000 Menschen in seinen Bann zog. Merkel hielt ihn für einen Luftikus, für einen oberflächlichen Schönredner. Obama empfand sie stur, langweilig und dickköpfig.

Doch das hat sich geändert. Als beide im April beim G-20-Gipfel in London einen Abend lang nebeneinander gesetzt wurden, kamen sie sich näher. Beim Lammbraten entdeckten sie ihre Ähnlichkeiten. Beide gehen die Probleme, selbst wenn sie zu unterschiedlichen Ergebnissen gelangen, auf ähnliche Weise an. Der Jurist und die Physikerin denken gerne vom Ende her.

Zudem: Der Schwarze, aufgewachsen auf Hawaii und in Indonesien, und die Frau, groß geworden in der DDR, kamen beide als Außenseiter in die Politik. Vor diesem Hintergrund betrachtet, war es eher unwahrscheinlich, dass sie eines Tages bis an die Spitze ihrer Staaten vorstoßen würden. Anders als Bush und Kohl knüpfen sie keine höchstpersönlichen Freundschaften mit anderen Staatschefs, sondern halten alle auf Distanz. Der Präsident und die Kanzlerin sind – jeder auf seine Weise – cool.

Die Reise nach Dresden war also kein Zufall und auch nicht irgendwie dazwischen gequetscht. Sondern sie entsprang dem Gespräch in London. Merkel hatte Obama von Ostdeutschland, vom Mauerfall und der Wiedervereinigung erzählt. Der Präsident wollte sich gerne selber ein Bild davon machen.

Dresden passt deshalb aus mehreren Gründen ins Bild: Die Perle an der Elbe ist ein leuchtendes Beispiel für die Wiederaufbauleistung. Sie ist ein Symbol für die furchtbare Zerstörungskraft des Krieges. Und sie liegt zudem nicht weit von den Konzentrationslagern Buchenwald und Ohrdruf entfernt. Im Wahlkampf hatte Obama einst fälschlich behauptet, sein Großonkel hätte Auschwitz mit befreit. Es handelte sich aber um das Arbeitslager Ohrdruf, das zum KZ Buchenwald gehörte. Seitdem er das erfahren hatte, wollte Obama gerne einmal dorthin reisen.

Ende April fragte das Weiße Haus in Berlin an, ob ein Besuch in Buchenwald möglich wäre. Kurz zuvor hatte der Präsident in einer Gedenkrede am 23. April an die Menschheitsverbrechen und vor allem an die Judenvernichtung erinnert. Auch sein Großonkel tauchte in dieser Rede wieder auf.

Natürlich passt der jetzige Termin auch aus politischen Gründen perfekt in Obamas Reiseplan: Nach seiner Rede an die muslimische Welt in Kairo kann der Präsident in Buchenwald an den Holocaust erinnern – und damit dem Staat Israel signalisieren, dass er sehr wohl um dessen Geschichte weiß, auch wenn er derzeit einen großen Bogen um das Land macht. Außerdem: Dresden ist zugleich Mahnmal für die Naziverbrechen und den Wahnsinn des Zweiten Weltkriegs. Obama lag von Anfang an daran, nicht nur den D-Day, den 65. Jahrestag der Landung der alliierten Truppen in der Normandie, in den Mittelpunkt zu stellen. Der Mann mit dem Blick für die Geschichte, will in Zusammenhängen denken und reisen.

Wer glaubt, nur die Umstände der Dresden-Visite seien schwierig gewesen, sollte sich bitteschön die anderen Stationen vor Augen führen. Der Auftritt in Ägypten, dieser Halb-Diktatur, war selbst in Obamas Beraterkreis von Anfang an umstritten. Die muslimischen Staaten Marokko und Indonesien seien unkompliziertere Bühnen, empfahlen hochrangige Mitarbeiter. Aber Obama bestand darauf. Er will gerade dort sprechen, wo die Widersprüche der muslimischen Welt besonders hart aufeinander krachen.

Und eigentlich wollte Obama überhaupt nicht zum 65. D-Day nach Frankreich fahren. Sarkozy verkündete aber im Frühjahr vor der Presse eigenmächtig, der Besuch aus Amerika sei bereits eine ausgemachte Sache. Obama wollte und konnte da keinen Rückzieher mehr machen. Der Heißsporn im Elysée-Palast ist Mr. Cool aus dem Weißen Haus allerdings seitdem eher suspekt.

Die gesamte Organisation dieser Gedächtnisveranstaltung in der Normandie gefällt dem US-Präsidenten nicht. Lauter ungediente Regierungschefs hat Sarkozy geladen, aber das einzige noch amtierende Staatsoberhaupt, das im Zweiten Weltkrieg eine Uniform trug, soll draußen vor bleiben: Noch kurz vor seinem Abflug machte das Weiße Haus unmissverständlich klar, dass es die Anwesenheit der Queen wünscht. Mal sehen, ob sich die Obamas durchsetzen. Schließlich haben sie beim G-20-Gipfel in London Freundschaft mit Elizabeth II. geschlossen. Sie rangiert auf ihrer Lieblingsliste ganz oben – noch deutlich vor Angela Merkel.

ZEIT ONLINE

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