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Politik: Obama zitiert McChrystal ins Weiße Haus

Eklat um abfällige Zitate des Afghanistan-Generals

Washington - Ein Artikel im US-Musikmagazin „Rolling Stone“ über den Nato- Oberbefehlshaber in Afghanistan, Stanley McChrystal, hat einen tiefen Konflikt zwischen dem General, dem Weißen Haus und den führenden US-Diplomaten in Kabul offenbart. Präsident Barack Obama bestellte McChrystal für Mittwoch ins Weiße Haus ein. Obama sei „wütend“, hieß es dort. Manche Medien spekulieren über eine Ablösung des Oberbefehlshabers in Afghanistan.

In dem am Dienstag veröffentlichten Artikel eines freien Mitarbeiters über McChrystals Arbeit in Afghanistan werden der General und seine Helfer mit abfälligen Bemerkungen über Obama, Vizepräsident Joe Biden, Afghanistan-Vermittler Richard Holbrooke und den US-Botschafter in Kabul, Karl Eikenberry, zitiert. Die schärfsten Äußerungen stammen zwar nicht von McChrystal, sondern von Mitarbeitern, die nicht namentlich genannt werden. Sie zeigen aber, in welch despektierlichem Tonfall das Team des Generals über den Präsidenten und dessen Afghanistan-Beauftragte redet.

Diese anonymen Mitarbeiter sagten, McChrystal sei „enttäuscht“ von seiner Begegnung mit Obama im Oval Office gewesen. Während einer Afghanistanberatung im Pentagon habe der Präsident „unbehaglich und eingeschüchtert“ gewirkt. Mit Vizepräsident Biden liegt McChrystal über Kreuz, weil Biden die Truppenverstärkung in Afghanistan abgelehnt und eine politisch-diplomatische Offensive befürwortet hatte. „Sie fragen mich nach Vizepräsident Biden?“, habe McChrystal gescherzt. Ein ungenannter Top-Berater habe ergänzt: „Sie meinen Herrn Leck-mich?“ Über Holbrooke sagen Mitarbeiter des Generals, McChrystal halte ihn für „ein verwundetes Tier“, weil die Gerüchte, dass Obama Holbrooke feuern wolle, nicht verstummen; er habe keine Lust, Emails von Holbrooke zu öffnen. Dem Botschafter Eikenberry werfe McChrystal vor, er habe heimlich kritische Berichte zur Truppenverstärkung nach Washington geschickt, um seine eigene Haut zu retten, falls die neue Strategie keinen Erfolg habe.

Wenige Stunden nach ersten Meldungen über die pikanten Passagen des Artikels entschuldigte sich der 55-jährige General: „Es war ein Fehler und schlechtes Einschätzungsvermögen; das hätte mir nie passieren dürfen.“ Der für Medienkontakte verantwortliche Mitarbeiter des Generals trat zurück. Ob auch McChrystal gehen muss, war am Dienstag unklar. John F. Kerry, der einflussreiche Vorsitzende des Außenpolitischen Ausschusses im Senat, warnte vor Überreaktionen. Er habe „großen Respekt vor General McChrystal“. Es sei „der beste Dienst, wenn alle sich zurücknehmen und sich abregen.“ Christoph von Marschall

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