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Harald Martenstein.

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Obamas Sieg: Land of the free

Tagesspiegel-Kolumnist Harald Martenstein über die US-Wahl und Barack Obama.

Es war eine Art Revolution. In diesem Land ist alles möglich. Deshalb liebe ich es so sehr. Ein Mensch kommt ganz nach oben, in das wichtigste politische Amt, der noch vor ein paar Jahren von den meisten seiner Mitbürger als Mensch zweiter Klasse betrachtet worden wäre. Ein Außenseiter. Vor ein paar Jahrzehnten hätte dieser Mensch nicht wählen dürfen. Imagine: Vor ein paar Jahrzehnten hätte dieser Mensch nicht seinen Wohnort wechseln oder eine Arbeitsstelle antreten dürfen, ohne andere um Erlaubnis zu fragen.

Ein Mensch kommt ganz nach oben, nur aufgrund seiner Fähigkeiten. Das ist die großartige Botschaft. Er ist, verglichen mit seinen weißhaarigen Konkurrenten, erst seit kurzem in der Politik. Er hat sich nicht mühsam durch die Parteiapparate nach oben gegraben und abschleifen lassen. Trotzdem hat er all die altgedienten Parteilöwen überflügelt, nun stehen sie Spalier und applaudieren.

Menschen seiner Herkunft verdienen im Durchschnitt weniger Geld, es gibt sie kaum in den Führungsetagen der Wirtschaft, Karrieren machen sie, wenn überhaupt, im Showbusiness oder im Sport. Dieser Mensch ist in dem Staat, den er nun bald regiert, nicht einmal aufgewachsen. Das ist, verzeihen Sie, irre: Seine frühen Jahre hat er in einem anderen Staat verbracht. In einer Gesellschaft, die fast nichts gemein hatte mit der Gesellschaft, die er nun regiert. Nehmen wir nur das Christentum – er ist aufgewachsen in einem Land, in dem das Christentum keine große Rolle spielte. Nun betet er. Aber er kennt auch andere Verhältnisse, sein Blick ist weit, er ist beweglich. Ein Fundamentalist kann ein Mensch mit solchen Erfahrungen niemals werden.

Das Land, dass er nun regiert, kommt seinen Kritikern manchmal arrogant vor, es wird angefeindet, man wirft ihm alles Mögliche vor, seine Geschichte, seine Stärke, es heißt, dieses Land biete Außenseitern keine Chance. Dieses Land, das seinen Bürgern Freiheiten und Chancen bietet wie kaum ein zweites, ein reiches, schönes und tolerantes Land, wird angefeindet, obwohl in der ganzen Welt viele davon träumen, in genau diesem Land leben zu dürfen. Wo sonst sind solche Geschichten möglich?

Natürlich wird solch ein Mensch nicht alle Erwartungen erfüllen können. Es ist ein Mensch, kein Halbgott. Natürlich hängt der Erfolg dieses Menschen mit dem Überdruss an seinem Vorgänger zusammen. Der Vorgänger hatte abgewirtschaftet, potenzielle Nachfolger durch Intrigen ausgeschaltet. So machte er, ohne es zu wollen, den Weg frei für die unwahrscheinlichste aller Kandidaturen, für die Naturwissenschaftlerin und DDR-Bürgerin und Frau, den Menschen und Kohl-Nachfolger Angela Merkel. Gott schütze unser deutsches Vaterland. Das hat es sich verdient.

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