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© dpa

Odenwaldschule: Auch Gewalt unter Schülern

An der hessischen Odenwaldschule sollen auch Schüler in den Missbrauchskandal verwickelt sein. Inzwischen werden Vorwürfe gegen zwei ehemalige Kultusminister des Landes laut.

Von Matthias Meisner

Berlin - Der Missbrauchsskandal an der Odenwaldschule in Hessen nimmt immer größere Ausmaße an: Bis weit in die 90er Jahre wurden dort Schüler von Lehrern sexuell missbraucht, wie die Rektorin der reformpädagogisch orientierten Schule, Margarita Kaufmann, jetzt zugab. In den Blickpunkt kommt auch die Frage, ob die früheren hessischen Kultusminister Hartmut Holzapfel (SPD, 1991 bis 1999) und Karin Wolff (CDU, 1999 bis 2008) während ihrer Amtszeit Hinweisen auf den Skandal ausreichend nachgegangen sind.

Kaufmann sagte der „Frankfurter Rundschau“, an Ostern hätten sich weitere Missbrauchsopfer gemeldet, die zudem von „furchtbaren Misshandlungen von Schülern an Schülern“ berichtet hätten. Dazu habe das Versengen und Verbrühen von Genitalien gehört. Minderjährige seien von Schulkameraden als „Sandsack missbraucht“ und erniedrigt worden. Ein gefesselter Schüler sei nach Angaben von früheren Kameraden mit einer Banane vergewaltigt worden sein, ein Lehrer habe untätig daneben gestanden. Zu den neuen Berichten sagte die Schulleiterin: „Das sprengt unsere Vorstellungskraft.“

Erstmals waren Missbrauchsfälle an der Odenwaldschule im November 1999 publik gemacht worden. Ex-Kultusminister Holzapfel aber soll bereits gut ein Jahr früher, im August 1998, von Vorwürfen gegen den damaligen Schulleiter Gerold Becker, der Schüler missbraucht haben soll, gewusst haben. Dennoch sei Becker noch bis November 1999 offizieller Berater des Ministeriums geblieben. Als Beleg zitiert die „Frankfurter Rundschau“ aus einer Ende 1999 verfassten Stellungnahme von Beckers Nachfolger Wolfgang Harder an das Staatliche Schulamt Bergstraße. Darin heißt es, Altschüler hätten die Schule bereits Mitte 1998 mit den Vorwürfen konfrontiert. Becker habe ihnen nicht widersprochen. In Harders Stellungnahme heißt es weiter: „Herr Becker hat schriftlich und/oder mündlich in der letzten Augustwoche 1998 den Hessischen Kultusminister als seinen damaligen Dienstherren (…) über die gegen ihn erhobenen Vorwürfe informiert.“ Als Berater Holzapfels aber sei Becker erst am 18. November 1999 gekündigt worden.

Holzapfel bestritt in mehreren Interviews, während seiner Amtszeit über Missbrauchsfälle an der Odenwaldschule unterrichtet worden zu sein. Dies sei „schlicht unzutreffend“, sagte er. Von Gerold Becker will er nicht über Vorwürfe informiert worden sein: „Sie können sicher sein, dass ich das nicht für mich behalten hätte.“ Andererseits ging Holzapfel auch Jahre später noch nicht auf Distanz zu dem Ex-Schulleiter. Im Herbst 2004 veröffentlichte Holzapfel in der pädagogischen Zeitschrift „Neue Sammlung“ einen Namensbeitrag zu den Konsequenzen aus der Pisa-Studie – als Herausgeber der Schrift zeichneten damals unter anderem Gerold Becker und sein Lebensgefährte, der Reformpädagoge Hartmut von Hentig.

Auch Holzapfels Nachfolgerin, die CDU-Politikerin Karin Wolff, wird inzwischen mit Fragen konfrontiert. Der Darmstädter Bildhauer Gerhard Roese, Schüler an der Odenwaldschule von 1975 bis 1982, hatte ihr nach eigenen Angaben im Januar 2003 die Kopie eines Briefes an seinen Lehrer Salman Ansari geschickt, in der er sehr detailliert das „System Becker“ schilderte, der „Pädagogik vor allem als Handarbeit verstanden“ habe. Schüler hätten anderen die Hoden verdreht und gequetscht, Lehrer hätten sich von Schülern befriedigen lassen. Aus Angst vor Repressalien habe er sich während der Schulzeit den Lehrern nicht anvertraut: „Was hätte das schon gebracht? Ein paar reformpädagogische Worte, das große Du-Du-Du und das wars. Passiert wäre absolut nichts.“ Von der damaligen Kultusministerin will Roese nie eine Reaktion erhalten haben. Die verwahrt sich gegen Vorwürfe: Schon 1999 habe sie nach ersten Hinweisen „direkt gehandelt“.

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