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Politik: Öcalan gegen die Türkei

Muss Ankara Prozess gegen PKK-Chef nach Straßburger Urteil neu aufrollen?

Der Mann sitzt seit über sechs Jahren in einer Einzelzelle und wird von hunderten Soldaten bewacht – doch Abdullah Öcalan kann Ankara immer noch erzittern lassen. An diesem Donnerstag verkündet der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg sein Urteil im Fall des PKK-Chefs, und allgemein wird erwartet, dass dies die Forderung nach einem neuen Verfahren gegen Öcalan in der Türkei nach sich ziehen wird. Der türkischen Regierung ist klar, dass sie Belastungen für ihre EU-Bewerbung riskiert, wenn sie einen neuen Prozess ablehnt.

Öcalan war 1999 in Kenia festgenommen und in die Türkei gebracht worden. Nach einem Hochverratsprozess auf der Gefängnisinsel Imrali, wo er bis heute einsitzt, zogen seine Anwälte vors Straßburger Gericht und argumentierten, der PKK-Führer habe kein faires Verfahren erhalten. Sie verwiesen unter anderem darauf, dass Öcalan nach seiner Festnahme nur sehr eingeschränkt mit seinen Verteidigern sprechen konnte und dass zur Zeit des Verfahrens auf Imrali in der Türkei noch die Todesstrafe galt. In einem erstinstanzlichen Prozess in Straßburg bekam Öcalan Recht. Die türkische Regierung erwartet, dass der inzwischen 57-jährige Öcalan auch im endgültigen Prozess vor einer Großen Kammer in Straßburg siegen und anschließend ein neues Verfahren in der Türkei beantragen wird.

Ein Sondergesetz, mit dem Ankara einen neuen Öcalan-Prozess auf türkischem Boden ausschließen wollte, wird ein neues Verfahren nicht verhindern können: Sollte das Straßburger Urteil so ausfallen wie angenommen, wird die Türkei unter erheblichen Druck geraten, dem PKK-Chef einen neuen Prozess zu gewähren. Mit einer Weigerung könnte die Türkei ihre EU-Bewerbung in Gefahr bringen, warnte das Außenamt in einem internen Papier. Die Türkei könnte zudem vorübergehend aus dem Europarat ausgeschlossen werden.

Die rechtsnationalistische Partei MHP warnte, wenn Öcalan ein neues Verfahren erhalte, werde sich die Türkei „erheben“. Schon seit einiger Zeit erlebt die Türkei ein Erstarken des Nationalismus. Die Europagegner werden den Fall Öcalan als Versuch der Europäer werten, ethnische Konflikte in der Türkei anzufachen und das Land dadurch zu schwächen.

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