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Politik: "Öcalan hat die Strafe verdient"

"Fast alle Türken in Berlin halten die Strafe für gerechtfertigt", war sich jeder Türke sicher, der auf Öcalans Todesstrafe angesprochen wurde. Auch in den Gemüseläden an der Hauptstraße Ecke Kolonnenstraße waren sich alle Befragten einig, daß er die Strafe verdient hat.

"Fast alle Türken in Berlin halten die Strafe für gerechtfertigt", war sich jeder Türke sicher, der auf Öcalans Todesstrafe angesprochen wurde. Auch in den Gemüseläden an der Hauptstraße Ecke Kolonnenstraße waren sich alle Befragten einig, daß er die Strafe verdient hat. Nur ein Türke vor der streng religösen Sultan Ahmet Moschee zeigt etwas Mitgefühl. "Als Mensch tut er mir leid. Wir religiösen Menschen können im Grunde keiner Fliege etwas zuleide tun." Aber auch er ist sich sicher, daß er die Strafe verdient hat: "Schließlich hat er 30 000 Menschen umgebracht." "Was er gemacht hat, ist schlimm, aber Gott schütze uns vor Schlimmerem", wünscht sich ein anderer. Für die Verkäuferin hinter der Bäckertheke ist die Sachlage ebenfalls klar: "Das Thema ist für uns alle sehr wichtig", erkärt sie.

Zumindest zwischen Wedding und Schöneberg gab es gestern kaum einen Türken, der nicht eine Meinung zu diesem Thema hatte. Aber "um Himmels willen, bitte nicht mit Namen zitieren", hieß es nach jedem Gespräch. Zu groß war bei den Menschen die Angst, daß sie "falsch verstanden werden." "An meinem Fachbereich gibt es außer mir keinen, der so wie ich heißt", erklärte ein FU-Student seine Weigerung, seinen Namen zu sagen. Er findet, daß es ein unfairer Schauprozeß war. Was es heißt, "politisch falsch verstanden zu werden", erfahren die meisten schließlich regelmäßig über türkische Medien. Radiomoderatoren rufen in ihren Sendungen beispielsweise zum Boykott von Kassetten von Musikern auf, die sich durch ihre Aussagen der PKK-Nähe verdächtig gemacht haben.

Berliner Geschäftsleute fürchten deshalb nicht nur um ihre Stammkundschaft aus dem "politisch anderen Lager", sondern auch um den Betriebsfrieden unter der oft ethnisch durchmischten Mitarbeiterschaft. "Ich habe keinen nach seiner Herkunft gefragt, als ich ihn eingestellt habe", sagt ein Unternehmer. Und letztlich sei den Berliner Türken das eigene Hemd näher als die politischen Zustände in seiner "Heimat". "Märtyrermütter" gebe es in Berlin kaum, denn die meisten jungen Männer aus Berlin, die in der Türkei ihren Militärdienst absolvieren müssen, leisten diesen in nur einem Monat ab - weit entfernt von der anatolischen Front. Von der regulären Wehrdienstzeit von 18 Monaten kaufen sich die meisten Berliner Türken frei. Oder sie lassen sich einfach einbürgern. "Sollen die türkischen Politiker doch ihre eigenen Söhne dorthin schicken", rät deshalb eine Großmutter.

SUZAN GÜLFIRAT

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