zum Hauptinhalt
Am geplanten Betreuungsgeld gibt es nun auch internationale Kritik.

© dapd

OECD zum Betreuungsgeld: Geld oder Chancen

Die OECD kritisiert in einer neuen Studie negative Auswirkungen des Betreuungsgelds für Migrantinnen und ihre Kinder. Die Reaktionen auf die Rüge aus Paris kamen am Montag prompt.

Die Palastrevolte in der Koalition ist gerade erst niedergeschlagen, das Betreuungsgeld, bis in die schwarz-gelben Reihen als „Herdprämie“ geschmäht, seit wenigen Tagen beschlossen. Nun können sich seine Gegnerinnen erneut bestätigt sehen: Die „Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung“ (OECD) stellt dem Modell „Cash for care“ ein verheerendes Zeugnis aus. In Norwegen, wo es eine dem Betreuungsgeld ähnliche Zahlung schon seit Jahren gibt, habe sie sich als schädlich für die Arbeitsmarktbeteiligung gerade von Migrantinnen erwiesen: Für sie, schreiben die Autoren von „Jobs für Migranten“, „ist das zusätzliche Einkommen, das sie durch Berufstätigkeit erzielen können, kaum ausreichend, um die Kosten öffentlicher Kinderbetreuung zu decken.“ Der Anreiz, die Kinder in die Kita zu schicken, sei „ daher einigermaßen gering“.

Eine norwegische Untersuchung von 2009 lege nahe, dass das Geld vom Staat die Arbeitsmarktbeteiligung von Migrantinnen um 15 Prozent gesenkt habe. Ohnehin gingen Migrantinnen mit kleinen Kindern viel seltener als nichtmigrantische Mütter arbeiten, schreiben dieAutoren. Das aber habe direkte Auswirkungen auf die Chancen der nächsten Generation, die ihrer Kinder. „Es gibt immer mehr Hinweise darauf, dass frühkindliche Bildung ab drei Jahren die Bildungskarriere der Kinder schlecht ausgebildeter Immigranten stark beeinflusst. In dieser Gruppe nützt sie am meisten.“ Und das Schicksal der Migrantenkinder wiederum, so die OECD-Forscher, sei „eine der zentralen Herausforderungen für viele europäische Länder, die drei untersuchten eingeschlossen“. Die 300 Seiten starke Arbeit, Band drei einer größeren Untersuchung über Migranten und Arbeitsmarkt, beschäftigt sich neben Norwegen mit der Schweiz und Österreich. In der OECD sind 34 Länder zusammengeschlossen, die meisten mit hohem Pro- Kopf-Einkommen.

Die Reaktionen auf die Rüge aus Paris kamen am Montag prompt. Die Migrationsbeauftragte der Bundesregierung, Maria Böhmer, nannte die Kritik der OECD am Betreuungsgeld „irreführend“. Sie vergleiche „Äpfel mit Birnen“, sagte Böhmer, die auch Vorsitzende der CDU-Frauenunion ist. Das Geld werde schließlich an Eltern von Kindern gezahlt, die jünger als drei Jahre sind. Mehmet Kilic, migrationspolitischer Sprecher der Bundestags- Grünen, warf der Bundesregierung dagegen „Beratungsresistenz“ vor. Die Chancen von Migrantenkindern, aufs Gymnasium zu kommen, verdoppelten sich, wenn sie zuvor eine Kita besucht hätten. Die stellvertretende SPD-Vorsitzende Manuela Schwesig nannte das Betreuungsgeld „absolut den falschen Weg“. Kilics Kollegin Sevim Dagdelen (Linke) sprach von „Wahnwitz“: Einerseits würden Migranten aufgefordert, ihre Kinder in Tagesstätten zu schicken, andererseits erfinde man das „integrationsfeindliche Betreuungsgeld“. Migranten sei mit einer flächendeckenden kostenfreien Betreuung viel mehr geholfen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false