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Öffentlicher Dienst: Südwest-Verhandlungen platzen

Trotz eines überraschenden Kompromisses in Hamburg stehen die Zeichen weiter auf Streik. In Stuttgart haben die kommunalen Arbeitgeber und die Gewerkschaft Verdi ihre Verhandlungen ergebnislos abgebrochen.

Stuttgart - Der kommunale Arbeitgeberverband Baden-Württemberg (KAV) und die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi warfen sich am späten Mittwochabend in Stuttgart gegenseitig vor, jeglichen Fortschritt in den Gesprächen blockiert zu haben und für den Abbruch verantwortlich zu sein. Ein neuer Gesprächstermin wurde nicht vereinbart.

Verdi-Verhandlungsführer Alfred Wohlfart kündigte eine Ausweitung der Streiks in Städten, Gemeinden und Landkreisen an. Damit ist ein Ende des seit fast vier Wochen andauernden Streiks vorerst nicht in Sicht. Wohlfart bat die Bevölkerung um Verständnis: Verdi kämpfe im Interesse aller gegen Schritte der Arbeitgeber, die die Massenarbeitslosigkeit noch verschärfen würden. Der KAV-Vorsitzende, Mannheims Oberbürgermeister Gerhard Widder (SPD), sprach von einem "schwarzen Tag für den öffentlichen Dienst". ver.di trage den Streik weiter auf dem Rücken der Bürger aus.

Zuletzt hatten die Arbeitgeber ein altersspezifisch gestaffeltes Arbeitszeitmodell mit durchschnittlich 39,7 Stunden pro Woche vorgelegt. Wohlfart bezeichnete dies als unannehmbar. Er warf den Arbeitgebern eine "absolute Bunkermentalität" vor. ver.di hatte 38,8 Stunden - statt bisher 38,5 Stunden - für die 220.000 Beschäftigten befürwortet. Das sei das Volumen, auf das auch der Hamburger Abschluss hinauslaufe.

Das Modell der Arbeitgeber sieht dem Vernehmen nach eine 40-Stunden-Woche für die Beschäftigten bis 40 Jahre und eine 39,5-Stunden-Woche für die 41- bis 60-Jährigen vor. Die über 60-Jährigen sollen demnach 38 oder 39 Stunden arbeiten. Hinzu kam die Zusage, zusätzlich 2500 Arbeitsplätze zu schaffen. Wohlfart sagte, die Offerte habe sich nach genauer Prüfung als "Placebo" erwiesen.

KAV-Chef, Mannheims Oberbürgermeister Gerhard Widder (SPD), sagte, die Gewerkschaft beweise mit ihrer Ablehnung des Vorschlags, dass sie nicht die Interessen der jungen Menschen verfolge, sondern ausschließlich die Besitzstands-Interessen ihrer Klientel: "Der KAV hatte mit seinem Angebot Neuland betreten. ver.di hat diese Chance verpasst." Die Gewerkschaft sei nicht glaubwürdig. Er gab zu bedenken, dass die Kommunen sich angesichts des wochenlangen Streiks zu weiteren Privatisierungen öffentlicher Dienstleistungen veranlasst sehen könnten. Der für die 6000 Beschäftigten in Hamburg erzielte Abschluss war für das Flächenland Baden-Württemberg kein Vorbild. In der Hansestadt sind anders als in Baden-Württemberg Krankenhäuser und Kindertagesstätten nicht von dem Tarifvertrag erfasst. Die baden-württembergischen Arbeitnehmer sind zudem im Schnitt älter als ihre Hamburger Kollegen.

Der Hamburger Kompromiss sieht eine Staffelung der Arbeitszeit nach Entgeltgruppen und Lebensalter vor. Zudem gibt es einen Bonus für Arbeitnehmer mit Kindern bis zwölf Jahren. 40 Stunden arbeiten demnach nur Arbeitnehmer der höchsten Entgeltgruppen ohne Kinder. Die geringste Arbeitszeit haben mit 38 Stunden die Arbeitnehmer der niedrigsten Entgeltgruppen, die 50 Jahre und älter sind. Zudem ist festgeschrieben, dass in Folge des Tarifabschlusses keine Stellen eingespart werden dürfen.

Die Gewerkschaft verstärkte die Streiks am Mittwoch, die wegen der Fastnachtsaktivitäten etwas abgeschwächt worden waren. In den großen Städten Baden-Württembergs sind Müllabfuhr, Straßenreinigung sowie Garten- und Friedhofsämter in der vierten Woche im unbefristeten Ausstand. (tso/dpa)

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