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Politik: Öko-Branche wirft Belgien Retourkutsche vor

Berlin. Der Vermarktungsstopp für deutsche Ökoprodukte, den die EU-Kommission angedroht hatte, hat Ministerien und Verbände in Alarmstimmung versetzt.

Berlin. Der Vermarktungsstopp für deutsche Ökoprodukte, den die EU-Kommission angedroht hatte, hat Ministerien und Verbände in Alarmstimmung versetzt. „Erhebliche wirtschaftliche Folgen“ für die rund 14 000 Öko-Betriebe in Deutschland fürchtet Matthias Berninger (Grüne), Staatssekretär im Verbraucherministerium. „Das Vertrauen der Verbraucher würde europaweit erschüttert“, sagte er dem Tagesspiegel.

Berninger zeigte sich jedoch zuversichtlich, dass die Kommission „nur im äußersten Notfall“ einen solchen Schritt gehen werde. „Wir hoffen, dass die EU von ihren Plänen abrückt“, sagte er. Mit einem Eilbericht über den aktuellen Stand im Nitrofen-Skandal wollten Bund und Länder am Sonntagabend die drohenden Sanktionen in letzter Sekunde abwehren. Wenigstens etwas Positives habe das drohende Verbot aus Brüssel, sagte Berninger: „Wir haben die Gelegenheit genutzt, den Ländern Feuer unter dem Hintern zu machen.“

Sollte EU-Verbraucherkommissar David Byrne dennoch am Montag über eine europaweite Sperre von deutschen Biobetrieben beraten, wird Verbraucherministerin Renate Künast (Grüne) kurzfristig nach Brüssel fliegen, um dort vorzusprechen. Byrne könnte einen befristeten Vermarktungsstopp mit sofortiger Wirkung erlassen. Innerhalb von zehn Tagen müssten die EU-Mitgliedstaaten solch einer Verordnung mit qualifizierter Mehrheit zustimmen.

Als erstes Land schottet ab Montag Belgien seine Grenzen gegen deutsche Bioproukte tierischer Herkunft ab. Die belgische Gesundheitsministerin Magda Aelvoet rechtfertigte dieses Vorgehen am Samstagabend in der ARD: „Wir mussten jetzt im Interesse der Gesundheit unserer Bürger handeln.“ Deshalb sollen nur noch Nitrofen-getestete Produkte mit Zertifikat akzeptiert werden. Kontrolliert werden soll dies bei den belgischen Importeuren. Nach Angaben des Sprechers der belgischen Lebensmittelaufsicht, Pascal Houbaert, stellen bereits mehrere deutsche Firmen ein solches Zertifikat aus.

Die deutschen Bio-Verbände werfen Belgien vor, auch das drohende EU-weite Vermarktungsverbot initiiert zu haben. Der Chef der Arbeitsgemeinschaft ökologischer Landbau (Agöl), Felix Prinz zu Löwenstein, vermutet: „Das ist die Retourkutsche für die deutsche Reaktion auf den Dioxin-Skandal.“ Auch Thomas Dosch, Bundesgeschäftsführer des Bio-Bauern-Verbandes Bioland, mutmaßt: „Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass die Belgier einen totalen Importstopp für deutsches Fleisch wollen.“

Nach der Krisensitzung in Berlin kündigte Mecklenburg-Vorpommerns Landwirtschaftsminister Till Backhaus (SPD) an, die Arbeiter in der Malchiner Lagerhalle sollten untersucht werden. Außerdem müsse geklärt werden, wie es zur Vermietung als Getreidehalle kommen konnte, obwohl bekannt gewesen sei, dass dort Pflanzenschutzmittel aufbewahrt wurden. In Malchin lagerten bis 1994 Unkrautvernichtungsmittel, die Nitrofen-Restbestände wurden danach ordnungsgemäß entsorgt. Die neuen Bundesländer wollen in dem kommenden Tagen alle ehemaligen DDR-Lagerstätten für Pflanzengift auf ihre derzeitige Nutzung überprüfen.

Cordula Eubel/ Maren Peters

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