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Politik: Öl-Pipelines: Erst stirbt die Taiga, dann der Mensch - Undichte Leitungen verseuchen die Umwelt

Von den morschen Beton-Stützpfeilern der Pipeline sind die meisten längst umgekippt. Im Zickzack zeigen die rostigen Rohre mal nach oben, mal nach unten.

Von den morschen Beton-Stützpfeilern der Pipeline sind die meisten längst umgekippt. Im Zickzack zeigen die rostigen Rohre mal nach oben, mal nach unten. Aus den brüchigen Nahtstellen sickert eine dicke, pechschwarze Masse. Rund um die Pipeline stirbt die Taiga: Bäume, Sträucher Gräser - alles erstickt in der schillernden Pfütze aus klebrigem Rohöl.

Die Ölförderregion Komi im Nordosten Russlands leidet unter dem Fluch des schwarzen Goldes: Die Umweltschäden durch marode Pipelines haben ein bedrohliches Ausmaß angenommen. Jetzt schlägt die Umweltorganisation Greenpeace Alarm. Denn der russische Ölgigant Lukoil, der die Förderanlagen vor einem halben Jahr übernahm, will die Fördermenge von derzeit drei Millionen Tonnen auf ein Vielfaches steigern und das Fördergebiet noch in die ökologisch sensible Arktik-Region ausdehen.

Dabei sind die Zustände bereits jetzt Besorgnis erregend: Neun von zehn Bewohnern der Komi-Region sind krank. Experten sehen einen Zusammenhang zwischen der Ölverschmutzung und dem Leiden der Menschen an Krebs, Lungen- und Bluterkrankungen sowie Schäden am Immun- und Nervensystem. "Wir haben nach Öl riechendes Trinkwasser und hohe Ölkonzentrationen in Fisch festgestellt. Die Belastung mit Öl in Wasser, Böden und Nahrung erhöht das Krebsrisiko", warnt Wenjamin Chudolej, Krebsexperte aus St. Petersburg.

Nach bisher unveröffentlichten Berichten der zuständigen russischen Behörden, die Greenpeace in Moskau zugespielt wurden, sind etwa 700 Hektar Taiga in Komi mit 130 000 Tonnen Öl verschmutzt. Die Region war 1994 bekannt geworden, als eine Ölpipeline nahe der Stadt Usinsk brach und rund 100 000 Tonnen Öl ausliefen. Weltbank und Osteuropabank zahlten zwar einen Kredit in Höhe von 124 Millionen Dollar für die Säuberung. Doch das meiste Geld versickerte in Russland wie das Rohöl in den schwammigen Torfböden der Taiga. Hilflos muten die Entsorgungsversuche an, die Greenpeace-Mitarbeiter bei ihren Besuchen vor Ort filmten: Da wird Öl von einer Leckage-Stelle abgesaugt und wenige Kilometer weiter aus dem Tankwagen in eine offene, ungesicherte Erdgrube abgelassen. "Oft wird das Erdöl darin noch angezündet", so Öl-Experte Christian Bussau von Greenpeace, " dann liegt giftiger Qualm in der Luft."

Die Chancen für die Umweltschützer, den Raubbau an der Natur aufzuhalten, stehen nicht gut: Russland bezahlt seine Auslandsschulden hauptsächlich aus den Einnahmen des lukrativen Erdöl-Exports. Und für eine Modernisierung der Förderanlagen fehlt das Geld. Die Aktivisten müssen seit dem Amtsantritt Wladimir Putins mit Repressalien rechnen: "Es hat Versuche gegeben, das Greenpeace-Büro in Moskau zu schließen", berichtet der russische Mitarbeiter Oganes Targulian. Zudem ließ Putin das Umweltministerium auflösen - zuständig für Umweltfragen ist jetzt ausgerechnet das Ministerium für die Gewinnung von Bodenschätzen.

Greenpeace will nun im Westen ansetzen: Denn Erdöl aus der Komi-Region fließt über die Druschba-Pipeline auch nach Deutschland und wird hier von den Konzernen DEA, Agip, Total und Ruhröl verarbeitet. Sie und das deutsche Umweltministerium sollen darauf hinwirken, dass der Umweltschutz in der Komi-Region verbessert wird.

Doris Heimann

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