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Politik: Ölpreis: Nur die Politik kann den Benzinpreis senken - aber sie sollte es lassen (Kommentar)

Öl glättet die Wogen? Diese alte Weisheit stimmt nicht mehr.

Öl glättet die Wogen? Diese alte Weisheit stimmt nicht mehr. Im Gegenteil: In Frankreich gehen die Wogen immer höher. Ein Hauch von Generalstreik weht durch das Land. In Deutschland gärt es nur. Noch. Aber auch hier zu Lande wird der Unmut über die rekordhohen Ölpreise (Zehn-Jahres-Hoch) lauter und lauter. "Ölpreis setzt Berlin unter Druck" titelt das "Handelsblatt". Was kann, was sollte, was muss die Politik in dieser Lage tun?

Die heute übliche Antwort "Lasst doch die Märkte machen, die regeln es am besten", gilt beim schwarzen Gold nur ganz eingeschränkt. Warum? Der Ölpreis war schon immer ein politischer Preis - und ein enorm sensibler dazu. Über zwei Drittel der Preise, die heute auf den Zapfsäulen erscheinen, 1,40 Mark pro Liter Benzin, kassiert der Staat mit der Mineralölsteuer und der Mehrwertsteuer! Besonders sensibel ist der Ölpreis deshalb, weil eigentlich jeder Öl verbraucht und von den Preisänderungen betroffen ist, ob als Autofahrer, als Fluggast oder als Wohnungseigentümer oder -mieter. Und Öl und Sprit spielen in der Wirtschaft sowohl als Rohstoff wie auch als Treibstoff heute eine gewichtige Rolle. Teureres Öl macht letztlich alles teurer. Öl heizt deshalb auch die Inflation an. Fast ein Prozentpunkt der aktuellen Teuerungsrate von 2,4 Prozent fällt heute auf das Öl zurück.

Fragt man nach den bösen Kräften hinter den ungewöhnlichen und auch unvorhergesehenen Preissprüngen beim Öl, dann sind es drei. Die Zunft der Ölproduzenten, die mit der Opec ein klassisches Kartell betreiben und auch nutzen. Sie halten die Fördermengen künstlich knapp und erzielen, weil die Nachfrage steigt, damit höhere Preise. Dennoch macht ihr Anteil am Erlös gerade 33 Pfennige aus, 16 Prozent vom Ganzen.

Der Fiskus und die grün-motivierte Politik wollen - in einem verworrenen Gemisch aus rein fiskalischen Motiven, die Staatssäckel mit am Öl hängenden Abgaben möglichst kräftig zu füllen - gleichzeitig eine Entkopplung von Ölverbrauch und Wirtschaftswachstum. Öl stößt am Ende der Abgasrohre zwar immer weniger Blei und Schwefelverbindungen, aber unvermindert viel schädliches Kohlendioxyd aus. Deshalb sollen höhere Preise speziell für diese wenig umweltfreundliche Energie die Ladungen und die Leute von den Straßen auf die Schienen lenken.

Die anhaltende Schwäche des Euro macht Benzin, Diesel und Heizöl zusätzlich teurer, weil Öl nun mal in Dollar gehandelt wird. Ganze 25 Prozent hat die junge europäische Hoffnungswährung seit ihrer Geburt gegenüber dem Dollar verloren. Das ist viel. Aber im Kalkulationsschema für die Endverbraucherpreise der Ölderivate spielt dieser "Euroeffekt" eine verschwindend geringe Rolle. Kaum acht Pfennig von 204 Pfennig kämen auf sein Konto. Die böse Kraft Euro könnte man in der Diskussion über das "Was tun?" also wegen Geringfügigkeit vergessen, wenn über die ölimportierte Inflation nicht die gesamte europäische Wirtschaft als inflationsgefährdet angesehen würde und der Euro damit immer weiter der Schwindsucht zu verfallen droht.

Nur, wer könnte das verhindern? Kein weiteres Drehen an der Zinsschraube und auch keine Intervention an den Devisenmärkten können den Ölpreis nach unten zwingen. Den größten Hebel halten tatsächlich die Politiker in der Hand. Sie könnten ihre Abgaben auf das Öl - wenigstens vorübergehend - reduzieren, eben so wie die Franzosen es jetzt mit ihrer Blockadepolitik durchgesetzt haben. Sie könnten zumindest die für 2001 vorgesehene Anhebung der Ökosteuer aussetzen, bis sich die Preisfront wieder etwas beruhigt hat. Aber ist das auch klug?

Die Grünen in Deutschland und auch in Frankreich sehen sich durch die Explosion der Ölpreise in ihrer Politik "weg vom Öl" ja unverhofft kräftig unterstützt. Sie könnten den Scheichs, die den Ölpreis hoch und höher halten, sogar einen Umwelt-Nobelpreis für nachhaltiges, umweltverträgliches Handeln verleihen. Schneller als geplant werden wir alle kräftig daran erinnert, dass die Erdöl-Ära dem Ende zugeht. Die Vorräte sind endlich und die Umweltbelastungen beim Verbrennen unverantwortlich hoch.

Öl ist ein wertvoller Rohstoff, aber - das wissen wir seit langem - kein idealer Treibstoff. Die Anpassungslasten der großen Treibstoffverbraucher wie der Spediteure mögen jetzt drücken und weh tun. Aber sie sind sowieso unvermeidlich. Der Autofahrer hat es in der Hand, durch sparsamere Modelle und sparsameres Fahren seine Ölschmerzen nachhaltig zu verringern. Sparen bleibt das wichtigste Innovationspotenzial. Ohne dass die Ölpreise jeden Einzelnen kräftig zwicken, bleibt es brach liegen. So gesehen treibt der Ölpreis uns, so weh es tut, in die richtige Richtung.

Heik Afheldt

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