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Österreich: Die Zeichen stehen auf große Koalition

Nach dem überraschenden Wahlsieg der Sozialdemokraten in Österreich zeichnet sich eine große Koalition der SPÖ mit der konservativen Volkspartei des bisherigen Bundeskanzlers Wolfgang Schüssel ab.

Wien - Sowohl Schüssel wie auch SPÖ-Chef Alfred Gusenbauer bekräftigten noch am Sonntagabend diese Möglichkeit. Am Dienstag will Bundespräsident Heinz Fischer zu ersten Gesprächen mit den beiden Parteichefs zusammenkommen. Den Auftrag zur Regierungsbildung will Fischer erst erteilen, wenn das für kommenden Dienstag erwartete amtliche Endergebnis vorliegt. Angesichts des äußerst knappen Ausgangs könnten die noch ausstehenden Stimmen der rund 400.000 Briefwähler das Wahlergebnis entscheidend beeinflussen.

Laut dem vorläufigen Endergebnis kommt die SPÖ auf 68, Schüssels ÖVP auf 66 Mandate im Nationalrat. Gemeinsam hätten sie die Zweidrittelmehrheit. Drittstärkste Partei wurde die rechtspopulistische FPÖ mit 21 Sitzen, gefolgt von den Grünen mit 20 Sitzen. Das Bündnis Zukunft Österreichs (BZÖ), das sich im vergangenen Jahr unter Jörg Haider von der FPÖ abgespalten hatte, schaffte mit 4,2 Prozent knapp den Einzug ins Parlament und hat acht Mandate. Gemeinsam mit der rivalisierenden FPÖ stimmten damit rund 15 Prozent der Wähler für die Rechtspopulisten. Theoretisch könnten aber die Grünen durch die Briefwahlwähler doch noch drittstärkste Kraft werden und das BZÖ aus dem Parlament fliegen.

ÖVP erster Ansprechpartner für Gusenbauer

In der "Elefantenrunde" nach der Wahl ließ Gusenbauer keinen Zweifel daran, dass er mit den Konservativen koalieren will. Nach dem vorliegenden vorläufigen Wahlergebnis sei klar, dass der "erste Ansprechpartner die ÖVP" sei, sagte der SPÖ-Chef und betonte, er sei an einer "stabilen Regierung" interessiert. Schüssel sagte, bei einer solchen Koalition sei "Vernunft ein absolutes Nonplusultra". Eine Dreierkoalition zwischen ÖVP, FPÖ und BZÖ schloss Schüssel aus. Gusenbauer bezeichnete eine Koalition aus drei Parteien ebenfalls als zu "kompliziert".

Grünen-Chef Alexander Van der Bellen schloss ein Bündnis mit den Sozialdemokraten nicht aus für den Fall, dass das BZÖ es doch nicht ins Parlament schafft; in dem Fall würden die acht Mandate der Rechtspopulisten auf die anderen Parteien verteilt und eine hauchdünne rot-grüne Mehrheit denkbar. Haider wiederum erklärte sich zu jeder Koalition bereit, um Schwarz-Rot zu verhindern.

Gemischte Gefühle für Neuauflage von großer Koalition

Parlamentspräsident Andreas Khol sagte Sozialdemokraten und Konservativen ein "hartes Ringen" bei möglichen Koalitionsverhandlungen voraus. "Wenn es nur diese eine Option gibt, wird es für beide nicht einfach. Dann ist man zum Erfolg verdammt", sagte der ÖVP-Politiker der "Kleinen Zeitung". Auch in der Bevölkerung trifft eine Neuauflage von Schwarz-rot auf gemischte Gefühle: Der jahrzehntelange Pakt der beiden Volksparteien hatte das Land zunehmend gelähmt und damit erst den Aufstieg der Rechtspopulisten ermöglicht. Bei der Wahl 1999 wurde die FPÖ zweitstärkste Kraft vor der ÖVP, nach monatelangem Hin-und-Her gingen Schüssel und Haider schließlich eine - international zunächst scharf kritisierte - Allianz ein.

Nach dem bisherigen Zeitplan werden Schüssel und sein Kabinett am Dienstag bei Bundespräsident Fischer ihren Rücktritt einreichen. Bis zum Antritt einer neuen Regierung führt Schüssel aber die Amtsgeschäfte weiter. Für denselben Tag sind erste Gespräche des Präsidenten mit Gusenbauer und Schüssel geplant, gefolgt von weiteren Treffen mit den Parteichefs der Grünen, von FPÖ und BZÖ am Mittwoch. (tso/AFP)

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