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Norbert Hofer (rechts) und sein Konkurrent Alexander Van der Bellen.

© dpa

Österreich: Ein kalter Bürgerkrieg

Die Wahl in Österreich zeigt an, dass ein tiefer Riss durchs Land geht. Der Präsident, vor allem aber der neue Kanzler müssen etwas gegen die verfahrene Politik tun. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Hermann Rudolph

Kommt Hofer, kommt Strache? Und damit der große Rutsch nach rechts – erst in Österreich mit dem rabiaten FPÖ-Chef als Bundeskanzler, dann womöglich noch in anderen Regionen des ratlos mit der Flüchtlingsfrage ringenden Europa? Es sind solch grelle Visionen, die eine Wahl aufwirft, die keine Personenwahl war, sondern eine Richtungsentscheidung, ein Zeichen des Protests. So weit ist es nicht gekommen. Österreich, die „Versuchsanstalt für Weltuntergänge“ – wie der sarkastische Karl Kraus die alte K.-u.-k.-Monarchie nannte –, arbeitet nicht gleich an der Apokalypse. Aber es spielt drastisch die fatalen Möglichkeiten vor, die der Politik blühen könnten. Und zwar nicht nur in Österreich, sondern – wenn man die Zeichen zu lesen weiß, von den Kaczynskis bis zum Front National – in Europa.

Die zweite Runde dieser Präsidentenwahl zeigt an, dass ein tiefer Riss mitten durchs Land geht. Gemessen daran hat die Mehrheit für den neuen Bundespräsidenten Alexander Van der Bellen lediglich Zufallscharakter. Der Zustand einer manifesten Spaltung bleibt, und insofern ist auch der Triumph der FPÖ – O-Ton Strache: „Wir haben auf jeden Fall gewonnen“ – berechtigt. Allerdings bleibt es dabei, dass das alte System, jene Konkordanz- oder Proporzdemokratie mit ihrer Praxis des Aushandelns, die die beiden Alpenrepubliken gut durch das letzte halbe Jahrhundert gebracht hat, an sein Ende gekommen ist. Schlimmer noch: Es hat sich als Schwungrad der Krise erwiesen. Das Patt zwischen den beiden Lagern, das die Präsidentenwahl so dramatisch sichtbar gemacht hat, liegt weiter drohend über dem Land.

Kann sein, dass der neue Bundeskanzler die Kraft hat, es aufzulösen. Kann auch sein, dass es die österreichische Politik bis zu den nächsten landesweiten Wahlen in zwei Jahren als Menetekel begleitet. Dann läge über dem Land der Druck eines kalten Bürgerkrieges: zwei gleich große Kräftegruppierungen, die die Politik in ihren Bann schlagen. Dahinter der unverhohlene Machtwille des FPÖ-Chefs Strache, ideologisch aufgeladen mit dem Gedanken an ein anderes Österreich.

Ein politisches Desaster - fast

Der Krimi der letzten eineinhalb Tage wird Folgen haben – schließlich ist Österreich wirklich nur um Haaresbreite an einem politischen Desaster vorbeigeschrammt. Als wichtiger könnte sich der Amtsantritt des neuen Bundeskanzlers erweisen. Die Ablegung des Amtseides am Dienstag, erste Regierungserklärung am Donnerstag – fast sah es so aus, als sei der bisherige Bahnmanager Christian Kern durch einen Nebeneingang in die Politik gekommen. Aber von ihm hängt es ab, ob die Politik der Regierung wieder den Platz im Gefüge der politischen Kräfte bekommt, die ihr zukommt.

Kern kann der gründlich verfahrenen Politik den Kampf ansagen und versuchen, ihr ein Gesicht zu geben, das die Bürger veranlasst, ihre Erwartungen nicht in eine rechtsextreme Partei zu setzen. In seiner Regierungserklärung hat er seiner Koalition die Leviten gelesen und dem traditionellen Opportunismus den Kampf angesagt. Wenn er davon spricht, das „Schauspiel der Machtversessenheit und Zukunftsvergessenheit“ müsse beendet werden, trifft er ziemlich genau die Probleme der österreichischen Politik. Die entschiedene Tonlage, mit der er sich geäußert hat, macht den Eindruck, dass er weiß, dass nur ein neuer Anfang den beiden alten Volksparteien ÖVP und SPÖ eine neue Chance geben kann.

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