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Politik: Österreich: Verdacht planiert

Wenn sich ein Richter freiwillig versetzen lässt, ist das kein Fall für die Presse. Bei Stefan Erdei, der sich vom Wiener Straflandesgericht an das Jugendgericht bewarb, verhält es sich anders: Er sollte einen der größten österreichischen Politskandale aufklären.

Wenn sich ein Richter freiwillig versetzen lässt, ist das kein Fall für die Presse. Bei Stefan Erdei, der sich vom Wiener Straflandesgericht an das Jugendgericht bewarb, verhält es sich anders: Er sollte einen der größten österreichischen Politskandale aufklären. Nun lacht sich die FPÖ ins Fäustchen.

Dem Untersuchungsrichter waren die "Vorerhebungen" gegen maßgebliche FPÖ-Funktionäre bis hinauf zu Jörg Haider zugefallen. Geklärt werden sollte dabei, ob die FPÖ tatsächlich ein Spitzelnetz in der österreichischen Polizei aufgebaut und bezahlt hat, um an persönliche Daten von politischen Gegnern heranzukommen, die sich im politisch-medialen Kampf verwerten ließen. So hatte es Josef Kleindienst im Oktober vergangenen Jahres behauptet. Der ehemalige Polizist und FPÖ-Gewerkschaftsfunktionär schrieb in einem Buch, er selber sei gegen Geld zur Datenlieferung angestiftet worden. Es gab einen gewaltigen Wirbel, eine Sonderkommission beim Innenministerium, und die FPÖ setzte zu einem Trommelfeuer gegen alle an, die in dem Fall ermittelten.

Mittlerweile ist die Sache niedergeschlagen - "planiert", wie man in Wien sagt. Die "Vorerhebungen" gegen Haider und die meisten aus der FPÖ-Führungsriege sind eingestellt worden, in etlichen Fällen noch bevor die Sonderkommission ihre Ermittlungen beendet hatte. Die Staatsanwaltschaft sprach von "Mangel an Beweisen und Verjährung". Die Weichen dazu hatte nicht zuletzt Justizminister Dieter Böhmdorfer gestellt. Als Kandidat der FPÖ und als langjähriger persönlicher Anwalt Haiders hatte er im Februar erklärt, für ihn sei "Haider über jeden Verdacht erhaben". Hohe und höchste Vertreter der ihm unterstellten, weisungsgebundenen Staatsanwaltschaft versichern zwar bis heute, sie seien nicht vor dem Minister in die Knie gegangen, dennoch lauten alle Berichte über die Ermittlungen gleich: Ehrgeiz zur Aufklärung hätten die Strafverfolger nicht entwickelt. Zahlreiche, durchaus namentlich bekannte Zeugen seien nicht vernommen, weiterführende Spuren nicht verfolgt worden.

Und der in seiner Arbeit von der Staatsanwaltschaft abhängige Untersuchungsrichter Erdei verscherzte es sich mit seinen Oberen endgültig, als er in einem öffentlich gewordenen Aktenvermerk beklagte, die Verfolgungsbehörden hätten ihm nur ein Viertel ihrer Ermittlungsergebnisse zukommen lassen. Der Justizminister meinte dazu, die Akten seien nur "aus Gründen der Übersichtlichkeit" nicht vollständig übermittelt worden. Und er sagte in Bezug auf Erdei ziemlich unverblümt, dass "Versetzungen grundsätzlich ein ganz normales Schicksal" seien.

Von Anklage ist keine Rede mehr. Ein führender Vertreter des Justizministeriums teilt mit, der Ermittlungsstand reiche nicht aus. Und Untersuchungsrichter Erdei geht. Ein Nachfolger, so befürchtet man in der Richterschaft, müsse sich erst wochen- und monatelang einarbeiten. Andere sagen, es wäre für Erdei ohnehin nicht mehr viel zu tun gewesen: Er hätte "nur noch" (!) Josef Kleindienst vernehmen müssen, den Kronzeugen der ganzen Affäre. Und der würde wohl nichts sagen. Die FPÖ hat ihn mit Verfügungen eingedeckt: Kleindienst darf zahlreiche seiner Beschuldigungen nicht einmal als Zeuge vor Gericht wiederholen.

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