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Rechte beklagen sich gern über Einschränkungen der Meinungsfreiheit.

© Paul Zinken/dpa

Österreichischer Rundfunk: Maulkorb beim ORF - Wehret den Anfängern!

Mitarbeitern des Österreichischen Rundfunks soll die politische Meinungsäußerung in sozialen Medien verboten werden. Es wäre ein Dammbruch. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Malte Lehming

Dies ist eine kleine Geschichte aus dem Redaktionsalltag. Vor kurzem erschien im Tagesspiegel ein Kommentar über Angela Merkels Flüchtlingspolitik. Daraufhin bat ein Leser um Quellen für zwei im Text genannte Zahlen. Er wurde auf das Statistische Jahrbuch verwiesen und auf einen Text von der Online-Seite der Tagesschau. Der Leser beschwerte sich. Den offiziellen Zahlen, ob von Bundesregierung oder öffentlich-rechtlichen Medien, sei doch nicht zu trauen. Diese Quellen seien parteiisch. Damit endete der Briefwechsel.
Politik und Medien haben ein Glaubwürdigkeitsproblem. Einer, der das früh erkannte, war Donald Trump. Auf dem Kurznachrichtendienst Twitter schuf er eine Gegenöffentlichkeit, in der er alles, was ihm nicht passt, als Fake News verunglimpft. Das System ist geschlossen. Jede Kritik an ihm dient dem US-Präsidenten als Beleg dafür, dass eine linksliberale Journalisten-Elite ihn fertigmachen will.

Kujonieren oder gar verbieten kann Trump die ihm missfallenden Medien nicht. Er kann sie nur diskreditieren. In vielen europäischen Ländern indes, wo es starke öffentlich-rechtliche Sendeanstalten gibt, existieren andere Hebel. Ein akutes, alarmierendes Beispiel liefert der Österreichische Rundfunk ORF. Von dessen Chef, Alexander Wrabetz, kursiert eine interne Dienstanweisung, in der allen Mitarbeitern des ORF die politische Meinungsäußerung in sozialen Medien verboten wird. Auch „im privaten Umfeld“ solle auf wertende Kommentare verzichtet werden. Das diene der Objektivität, Unparteilichkeit und Unabhängigkeit des journalistischen Arbeitens.

Droht der Einzug „ungarischer Verhältnisse“?

In Österreich regiert die konservative ÖVP in einer Koalition mit der rechtspopulistischen FPÖ. Die FPÖ fordert seit langem strengere Regeln für ORF-Redakteure auf Twitter und Facebook. Seit Mai stellt sie auch den Vorsitzenden des Stiftungsrates beim ORF. Deren Redakteure allerdings sind entsetzt und sprechen von einer „Orbanisierung“ ihres Landes und dem Einzug „ungarischer Verhältnisse“.

Viele europäische Länder, auch Deutschland, haben sich in den vergangenen Jahren schneller politisch nach rechts entwickelt als medial. Der FPÖ- oder AfD-Sympathisant dürfte in den Redaktionen von ORF und ARD selbst mit Lupe kaum zu finden sein. Daraus folgt ein Repräsentationsmanko. Darauf aber mit Maulkorb-Erlassen zu reagieren, ist autoritär, bevormundend und freiheitsfeindlich. Nicht weniger sondern mehr Transparenz und Meinungsvielfalt tun Not. Dazu gehören Kommentare wie die von MDR-Korrespondent Malte Pieper, der soeben den Rücktritt von Angela Merkel gefordert hatte, wie FPÖ-kritische Tweets.

ARD und ZDF nehmen jährlich rund 8,1 Milliarden Euro an Beiträgen ein. Das verpflichtet. Journalistisch bedeutet das umfassende, klare, konfrontative, vielfältige Berichterstattung. Gegenüber dem Beitragszahler bedeutet das Transparenz: Für welche Leistung wird was bezahlt, welche Gage, welches Honorar? Das zu erfahren, ist das Recht dessen, der zahlt. Am besten wäre es, die Intendanten würden sich, wie Politiker, zur Wahl stellen müssen. Dann wären Glaubwürdigkeit, Transparenz und Vielfalt bald wieder im Lot.

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