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Alexander Van der Bellen und Kanzler Sebastian Kurz (r.)

© REUTERS/Leonhard Foeger

Ruhepol in der Ibiza-Affäre: Van der Bellen behält die Kontrolle

Österreichs Präsident Alexander Van der Bellen war in seinem Amt bislang unauffällig. Jetzt zeigt er sich den Herausforderungen der Strache-Affäre gewachsen.

Ein Mann für die politische Show ist Alexander van der Bellen wirklich nicht. Den Großteil seiner bisherigen Amtszeit verbrachte der ehemalige Universitätsprofessor und langjährige Parteivorsitzende der Grünen hinter der roten Tapetentür der Wiener Hofburg, von der aus schon die Habsburger ihr damaliges Kaiserreich regierten. Van der Bellen gilt als ruhig, besonnen und unaufgeregt. Er spricht sehr langsam und hält oft inne, um nachzudenken.

Dafür diffamierten Anhänger der rechtspopulistischen Skandalpartei FPÖ den 75-Jährigen vor der Bundespräsidentenwahl 2016 noch als „senilen Greis“. Aktuell aber sind es gerade diese Eigenschaften, die Österreich zusammenzuhalten scheinen. Beinahe täglich muss Van der Bellen derzeit seine Arbeitsräume verlassen und vor die Öffentlichkeit treten. Österreichs Staatsoberhaupt hat eine größere Rolle auf der politischen Bühne, als sein deutscher Kollege Frank-Walter Steinmeier. Er wird direkt vom Volk gewählt und kann sich deshalb auf ein stärkeres Mandat berufen, wenn er sich einmischt.

Seine mit Bedacht gewählten Worte haben bisher Schlimmeres verhindert, nachdem vergangenen Freitag das Video öffentlich wurde, in dem der inzwischen zurückgetretene FPÖ-Vizekanzler Heinz-Christian Strache und sein Parteikollege Johann Gudenus einer vermeintlichen russischen Oligarchen-Nichte Staatsaufträge gegen Parteispenden in Aussicht stellten. Kein Stein blieb seither auf dem anderen: Neben Strache als Vizekanzler und FPÖ-Parteichef ist auch die gesamte rechtskonservative Regierungskoalition aus FPÖ und der ÖVP von Bundeskanzler Sebastian Kurz Geschichte.

Van der Bellen ist im Stress, hinter und vor der Tapetentür. In unzähligen Treffen mit Vertretern aller Parteien und mit Kurz, mit dem sich der Bundespräsident eng koordiniert, soll die Staatskrise überwunden werden. Gesprochen hat der Präsident auch mit dem neuen FPÖ-Chef Norbert Hofer, gegen den er sich 2016 knapp bei der Wahl zum Bundespräsidenten durchsetzte.

Am Dienstag dann der nächste große Auftritt. Nachdem Van der Bellen in seinen Reden am Wochenende, vor allem das Image Österreichs im Ausland reparieren wollte und gemeinsam mit Kurz die Öffentlichkeit über Neuwahlen informierte, ging es nun darum, welche Personen bis zur Neuwahl im September als Minister in den bisherigen FPÖ-Ministerien agieren sollen.

Alexander Van der Bellen und Sebastian Kurz am Dienstag in Wien
Alexander Van der Bellen und Sebastian Kurz am Dienstag in Wien

© AFP/GEORG HOCHMUTH/APA

Die rechten Ressortchefs waren geschlossen von ihren Ämtern zurückgetreten, nachdem Kurz und Van der Bellen Innenminister Herbert Kickl, der zum Zeitpunkt der Entstehung des Ibiza-Videos für die Parteifinanzen zuständig war und nicht von sich aus zurücktreten wollte, seines Amtes enthoben. Ein Novum: Noch nie in der Geschichte der österreichischen Nachkriegszeit entließ ein Bundespräsident einen Minister.

Van der Bellen warnt vor chaotischen Monaten

Kurz und Van der Bellen traten dann am Dienstag nach einem weiteren längeren Gespräch an die Öffentlichkeit und verkündeten, dass die vakanten Ressorts bis zu den Wahlen von Experten, Spitzenbeamten oder ehemaligen Spitzenbeamten geführt werden sollen. Einzig die von der FPÖ nominierte unabhängige Außenministerin Karin Kneissel wird im Amt bleiben. Es geht um „Ruhe, Vernunft und staatspolitische Verantwortung“, darum dass die Gesprächsfähigkeit und der Dialog zwischen den Parteien wiederhergestellt werden – Van der Bellen ist in seinem Element.

Bis zum Abend wollte Kanzler Kurz dem Bundespräsidenten Vorschläge für die Ministerposten machen. Van der Bellen warnte in seiner Ansprache vor chaotischen Monaten und voreiligen teuren Parlamentsbeschlüssen mitten in der Wahlkampfzeit. „Das möchte ich unter allen Umständen vermeiden.“ Österreich erlebt aktuell Chaostage – mit ungewissem Ausgang.

Am Montag nach der Europawahl, die in Österreich aktuell komplett in den Hintergrund tritt, findet die erste Nationalratssitzung seit dem Ende der Koalition statt. Die Oppositionspartei „Liste Jetzt“ wird dort einen Misstrauensantrag gegen Bundeskanzler Kurz, der im Parlament über keine Mehrheit mehr verfügt, einbringen. Unterstützen die Sozialdemokraten von der SPÖ und die FPÖ den Antrag, ist auch Sebastian Kurz als Bundeskanzler vorerst Geschichte – auch das wäre ein Novum in der Geschichte Österreichs.

Van der Bellen denkt an keinen Plan B

Van der Bellen könnte also bald die nächste Herausforderung bevorstehen. Wird Kurz gestürzt, muss der Staatspräsident eine Person mit der Bildung einer Übergangsregierung beauftragen. Diese Person – die älter als 18 Jahre sein muss und nicht vorbestraft sein darf – müsste dann wiederum Minister vorschlagen, welche Van der Bellen in einem nächsten Schritt bestätigen müsste.

Dennoch betonte er am Dienstag, dass er an „keinen Plan B“ denke. „Stand heute gehe ich davon aus, dass die demnächst zu ernennende neue Übergangsregierung, die ja nicht auf ewig bestehen wird, sondern nur einige Monate, bis zur Nationalratswahl halten wird“, so Van der Bellen. Er weiß natürlich, dass es nicht sein letzter Krisenauftritt war. „Danke, bis zum nächsten Mal“, sagte Van der Bellen, bevor sich die rote Tapetentür hinter ihm wieder schloss.

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