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Politik: Offene Mauer

Foto: Rückeis / Montage: DP HINTER DEN LINDEN Erinnern wir uns. Die Stadt ist geteilt.

Foto: Rückeis / Montage: DP

HINTER DEN LINDEN

Erinnern wir uns. Die Stadt ist geteilt. Stacheldraht ist noch das Harmloseste, was die Bewohner trennt. Sie leben in zwei verschiedenen Welten. Im Alltag schmuggeln die Menschen Nützliches hin oder her, was einigen ein erkleckliches Auskommen und vielen böse Kontakte mit den Sicherheitskräften beschert. Vergessen dürfen wir nicht die Anreize, die die Bürger zum Verharren bringen sollen, Bausubventionen etwa, die stets für Skandale taugen und Ruinen erzeugen.

Hier müssen wir aufhören, denn hier enden die Parallelen. Die Rede ist nämlich nicht von Berlin. Wir sind von den Linden aufgebrochen zu der Suche nach Orten, die noch immer geteilt sind, die weiter große Konfrontation mit alltäglicher Absurdität vereinen. Unter den Zedern sind wir fündig geworden. Im äußersten Norden Israels, im Südosten des Libanon, liegt: Rajar.

Die Einwohnerschaft entspricht jener eines Berliner Mietblocks. Die Geschichte allerdings hat für Rajar ein Schicksal bereitgehalten, das dem Berlins gleicht. Der kleinere Teil im Süden gehört zu Israel, der größere im Norden zu Libanon. Allerdings zu jenem Libanon, der von der Hisbollah beherrscht wird, jener fundamentalistisch-islamischen Miliz, die Israels Todfeind ist. Mitten durch Rajar, einen schrägen Dorfplatz auf dem Bergrücken empor, zwei Meter vor der Apotheke mit einem halb hebräischen und halb arabischen Schild, verläuft die Grenze.

Der israelische Major, der hier für Ruhe sorgen soll, nennt Rajar „den bequemsten Schmuggelplatz der Welt“. Die Grenze ist nämlich offen. Keine Mauer, nirgends. Rajars Bürger sind Alewiten, eine Abspaltung des schiitischen Islams. Jene im Norden, im Libanon, finden das Leben als Israeli besser. Sie wählen die Knesset mit, haben israelische Ausweise und Nummernschilder. Israel spielt mit, der Libanon hat nichts dagegen. Auf einer ungeteerten Straße von Nord nach Süd ist der Stacheldraht drei Meter breit entfernt. Da liegen nun leere Plastikflaschen – als Müllhaufen, der zugleich eine Systemgrenze markiert. So gesehen wäre das geteilte Rajar vielleicht ein Modell für Berlin gewesen. Als es noch geteilt war. Pragmatischer Orient!

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