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Politik: Offener Machtkampf in Teheran

Bisher galt im Iran die Regel: Politische Differenzen werden geheim gehalten. Kurz vor dem 34. Jahrestag der Revolution ist das anders.

Teheran - Das hat der Gottesstaat in seiner fast 34-jährigen Geschichte noch nicht erlebt. Da erzählen sich Leute auf offener Straße, dass der Parlamentspräsident den Präsidenten angefahren habe, er solle den Mund halten und verschwinden. Und das wenige Tage vor dem 34. Jahrestag der Islamischen Revolution im Iran an diesem Sonntag. So hat es Ali Laridschani zwar nicht direkt gesagt, aber die Botschaft war klar: „Sie haben kein Recht mehr zu reden, Sie haben unter der Würde eines Präsidenten geredet, bitte gehen Sie, leben Sie wohl.“ Präsident Mahmud Ahmadinedschad blieb nichts anderes übrig, als leise fluchend das Parlament zu verlassen.

Am 3. Februar hatte die Volksvertretung wieder einmal einen Minister Ahmadinedschads einbestellt und zur Rede gestellt. Ahmadinedschad kennt das schon. Doch anstatt wie üblich einfach seinen Minister zu verteidigen, unterstellte er dem Parlament, die Arbeit seiner Regierung zu sabotieren. Dann zeigte er im Parlament auch noch ein Video, das geheime Machenschaften des Bruders des Parlamentspräsidenten enthüllen sollte. Daraufhin beschuldigte Laridschani, der von jeher einer der größten Kritiker des Präsidenten ist, Ahmadinedschad, mit „Mafia-Methoden“ unter dem Niveau eines Präsidenten zu agieren. Außerdem verfüge er nicht über die notwendige Ethik für das Amt. Dies sei mit ein Grund dafür, warum das Volk derzeit leiden müsse.

Das Ganze passierte nicht etwa hinter verschlossenen Türen: Millionen Iraner konnten den Streit live im Radio mitverfolgen. „Der Machtkampf war ja immer ein offenes Geheimnis, aber den nun so offen auszutragen zeigt, wie sehr bei den Protagonisten die Nerven blank liegen“, sagte ein iranischer Journalist. Vergeblich warnt der iranische Führer Ajatollah Ali Chamenei, dem Westen nicht mit solchen Auseinandersetzungen in die Hände zu spielen.

Einer der Hauptgründe für die Eskalation des Machtkampfs ist die Wirtschaftsmisere, die hauptsächlich auf die Sanktionen wegen des Atomstreits zurückzuführen ist. Das Land befindet sich seit fast einem Jahr in einer Wirtschaftskrise. Zunächst versuchte das Regime, die Lage schönzureden. Doch mit dem raschen Verfall der Landeswährung Rial ging das bald nicht mehr. „Im Vergleich zum Vorjahr hat der Rial gegenüber dem US-Dollar 55 Prozent an Wert verloren“, sagte Ahmad Tawakoli vom Haushaltsausschuss im Parlament. Er widersprach damit Ahmadinedschads rosigen Wirtschaftsstatistiken. Die Kritiker werfen Ahmadinedschad Versagen vor. Der „Robin Hood der Armen“, wie er zu Beginn seiner Amtszeit 2005 genannt wurde, hat mit seinen Wirtschaftsreformen eine astronomische Inflation verursacht und die Armen noch ärmer gemacht. Von dem umstrittenen Atomprogramm hat das Volk nichts gesehen außer Sanktionen und politische Isolierung. Genauso wenig können die Iraner etwas mit der Militär- und Raumfahrttechnologie anfangen, wenn sie nichts im Portemonnaie haben. Wegen der Sanktionen hat das Land nicht einmal mehr Bankverbindungen mit dem Westen, um irgendwelche Geschäfte abzuschließen. Auch innerhalb der islamischen und arabischen Welt hat das Land mehr Feinde als Freunde, weil es das syrische Regime unterstützt. dpa

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