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Politik: Offener Streit in der großen Koalition

Union und SPD werfen sich gegenseitig Regierungsunfähigkeit und mangelnde Reformbereitschaft vor

Von Robert Birnbaum

Berlin - Kurz vor den Entscheidungen über zentrale Reformprojekte ist in der großen Koalition ein seit Wochen schwelender Grundsatzstreit offen aufgebrochen. Spitzenpolitiker von CDU, CSU und SPD warfen jeweils „Teilen“ der anderen Seite Regierungsunfähigkeit und mangelnde Reformbereitschaft vor. Vizekanzler Franz Müntefering (SPD) warnte vor der Gefahr von „Verwerfungen“ zwischen den Partnern und hielt Ministerpräsidenten der Union vor, Absprachen nicht zu respektieren. Aus Union und Bundesrat kommen zugleich Vorstöße gegen das Antidiskriminierungsgesetz.

In Union und SPD wird seit Wochen darüber gestritten, wer im Bündnis Richtung und Tempo bestimmt. Müntefering bestätigte indirekt, dass es auch in der Spitze zu Auseinandersetzungen gekommen ist: „Intern mache ich den Mund auf“, sagte er am Freitag in Berlin. Der Vizekanzler rief die gesamte Koalition dazu auf, ihre Erfolge nicht klein zu reden. Er forderte zugleich Vertrags- und Bündnistreue auch von den Ministerpräsidenten der Union ein. Absprachen im Koalitionsausschuss dürften nicht „auf dem Obergefreitenweg“ von Ministerpräsidenten wie Edmund Stoiber, Jürgen Rüttgers oder Christian Wulff sofort wieder in Frage gestellt werden. Der Arbeitsminister warnte die Unionsländer vor einem „Gewitter“, falls sie im Bundesrat gegen das Hartz-IV-Fortentwicklungsgesetz Front machen sollten. CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla antwortete mit der Aufforderung an die SPD, „respektvoller“ mit Interessen der Länder und den Ministerpräsidenten umzugehen. Pofalla appellierte aber zugleich auch an „jedermann“, die Koalition zu unterstützen.

SPD-Generalsekretär Hubertus Heil kritisierte: „Manch einer in CDU und CSU scheint noch nicht so ganz in der Regierung angekommen zu sein.“ CSU-Generalsekretär Markus Söder hielt der SPD prinzipielle Reformverweigerung vor: „Leider sagt die SPD zu oft Nein, anstatt neue Ideen konstruktiv voranzubringen.“ Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) kritisierte in der „Welt“, dass SPD-Chef Kurt Beck nach einem halben Jahr großer Koalition bereits über ein sozialliberales Bündnis als Option rede.

Neuen Widerstand gibt es gegen den umstrittenen Antidiskriminierungskompromiss. Eine Mehrheit der CSU-Landesgruppe verlangt eine Revision. Bundesratsausschüsse lehnten den Gesetzentwurf ab. Ihr Votum bindet allerdings den Bundesrat nicht. Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) betonte, das Vereinbarte müsse umgesetzt werden.

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