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Politik: Offener Streit um die Türkei

Kauder weist Steinmeiers Ratschläge an die Kanzlerin zurück / Auch EU in Zypernfrage uneins

Von Hans Monath

Berlin - Drei Wochen vor der Übernahme der EU-Präsidentschaft durch Deutschland wird der schon lange schwelende Streit über den richtigen Türkeikurs der Bundesregierung nun offen ausgetragen. Politiker von Union und SPD warnten sich am Wochenende gegenseitig vor schweren Fehlern im Zypernkonflikt. CDU/CSU-Fraktionschef Volker Kauder (CDU) wies in scharfer Form öffentliche Ratschläge von Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) an Kanzlerin Angela Merkel (CDU) zurück. „Die Hinweise von Herrn Steinmeier sind völlig unnötig“, sagte Kauder dem Tagesspiegel am Sonntag. Die Bundeskanzlerin habe sich in der Türkeifrage „klug und konsequent“ verhalten. „Ich warne die SPD davor, falsche Signale an die Türkei zu senden“, sagte der Merkel-Vertraute.

Steinmeier hatte Merkel vor einer drastischen Verschärfung des Türkeikurses im Zypernkonflikt gewarnt. Er habe Merkel „Argumente genannt, die dafür sprechen, auf unangemessene Reaktionen zu verzichten“, sagte der Außenminister dem „Spiegel“. Eine Abwendung der Türkei von Europa wäre „ein schwerer strategischer Verlust für die EU“.

Die Türkei verweigert bislang die vollständige Öffnung ihrer Häfen und Flughäfen für Transporte aus Zypern, obwohl sie sich dazu im sogenannten Ankara-Protokoll verpflichtet hatte. Die EU-Länder debattieren nun das Ausmaß der Konsequenzen für die Beitrittsgespräche. Die EU-Kommission hatte empfohlen, die Verhandlungen teilweise auszusetzen. Ankara versuchte deshalb, durch das Angebot zur Öffnung eines Hafens für zypriotische Transporte eine harte EU-Reaktion zu verhindern.

Auch Unions-Vizefraktionschef Andreas Schockenhoff (CDU) wies die Warnung Steinmeiers zurück. Die Forderung Merkels nach Einhaltung rechtlich verbindlicher Verpflichtungen sei „keineswegs unangemessen“. Nur weil Merkel diese Position konsequent verteidige, habe sich die Türkei in der Zypernfrage bewegt. Es sei während der EU-Präsidentschaft im kommenden Jahr wichtig, zwischen unterschiedlichen Positionen in Europa zu vermitteln, sagte Schockenhoff. „Ich kann dem Außenminister nur raten, hier nicht eine grundsätzlich andere Position zu vertreten als die Kanzlerin.“

Der außenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Gert Weisskirchen, forderte die Unions-Kollegen zu „rhetorischer Abrüstung“ auf. Der Zypernkonflikt könne nur mit „rationalen Mitteln“ gelöst werden. Die türkische Regierung müsse gegen innenpolitische Widerstände Konzessionen an die EU verteidigen, warnte Weisskirchen: „Jeder Störversuch durch rhetorische Aufrüstung macht die Lage nur komplizierter.“

Unterstützung erhielt Steinmeier auch von den Grünen. Es sei völlig richtig, dass der Außenminister in der Türkeidebatte die Kanzlerin öffentlich vor Fehlentscheidungen warne, sagte Parteichefin Claudia Roth: „Frau Merkel muss es sich schon gefallen lassen, dass man die Türkeipolitik der Union als europapolitischen Hasardeur-Ritt bezeichnet.“

Der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber forderte einen Abbruch der Beitrittsgespräche mit Ankara. „Die neuen Verhandlungen mit der Türkei müssen sofort und vollständig auf Eis gelegt werden, bis sich die Türkei an die Verträge hält“, sagte der CSU-Chef der „Bild am Sonntag“ (BamS). Für seine Position hat Stoiber bei der Schwesterpartei bislang keine Unterstützung.

Deutlich wurde am Wochenende auch, dass Ankaras neues Angebot unter den EU-Mitgliedern Verwirrung gestiftet hat und eine gemeinsame Position nicht erkennbar ist. Der britische EU-Handelskommissar Peter Mandelsohn warnte davor, die Geste zurückzuweisen. Ankara habe „rechtzeitig“ auf das EU-Ultimatum reagiert, der Schritt lasse hoffen, sagte er der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“. Der finnische Erweiterungskommissar Olli Rehn forderte dagegen weitere Zugeständnisse. „Die Türkei muss Klarheit in ihre Initiative bringen“, sagte er der „BamS“.

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