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Offensiver Umgang: Österreich: Missbrauchs-Opfer sprechen in der Kirche

Anders und anders als in Deutschland reagieren die Oberen der Katholischen Kirche in Österreich schnell und offensiv auf Missbrauchsvorwürfe.

„Nicht des Todes Christi gedenken wir heute, sondern des sozialen Todes jener, die Opfer der Männer des Himmels geworden sind“, sagte Emmerich Weissenberger, nachdem er wieder festen Boden erreicht hatte. Am Stephansdom in Wien hatte sich der rot beschmierte und mit Dornenkrone bekränzte Künstler am Karfreitag „gekreuzigt“. Der Wiener Dompfarrer Toni Faber, der selbst auch Künstlerseelsorger des Bistums ist, warf dem Künstler zwar Sachbeschädigung und Hausfriedensbruch vor, nannte den Protest gegen die Missbrauchsfälle in der Kirche aber ausdrücklich „legitim“.

Seit ein Mann aus einem kleinen Dorf in der Steiermark – angeregt durch Fälle in Irland – im Januar öffentlich erzählt hat, wie ihn vor 40 Jahren der örtliche Pfarrer sexuell missbraucht hatte, kamen täglich neue Fälle ans Licht: 566 Betroffene haben sich an die Ombudsstellen der Diözesen gewandt – zehn Mal so viele wie sonst.

Anders als früher reagierten die Oberen schnell und offensiv: Erst am Mittwoch zelebrierte der Wiener Kardinal Christoph Schönborn einen „Gedenk- und Bußgottesdienst“ im Stephansdom – gemeinsam mit der Plattform „Wir sind Kirche“, die sich für ein Ende des Pflichtzölibats und für das Frauenpriestertum einsetzt. Bei dieser Messe kamen auch Opfer zu Wort. Schönborn sagte: „Wir, Gottes Volk, seine Kirche, tragen miteinander diese Schuld“, sprach vom Scheitern an der Aufgabe, „Sexualität gut zu leben“ und gab zu, „dass wir vertuscht und ein falsches Zeugnis gegeben haben“.

Noch immer ist in Österreich nicht klar festgeschrieben, wie mit Missbrauchsvorwürfen umgegangen werden soll. Als die Kirche 1995 durch die Affäre um den damaligen Wiener Erzbischof Hans-Hermann Gröer unter Druck kam, rang sie sich erst drei Jahre später zu einem verklausulierten Schuldeingeständnis durch. 500 000 Menschen unterschrieben damals ein Volksbegehren von „Wir sind Kirche“ für Reformen. Angesichts der neu bekannt gewordenen Fälle und Vorwürfe lässt die Frühjahrskonferenz der Bischöfe jetzt einheitliche Regeln im Umgang mit Opfern erarbeiten. Ein Opferfonds, in den Täter und die Kirche einzahlen, soll Therapien und Entschädigungen bezahlen.

Als Opferanwältin hat die Kirche die frühere steirische Landeshauptfrau Waltraud Klasnic eingesetzt. Sie wird mit einem Team von Richtern, Psychologen und Pädagogen Ombudsstellen vernetzen und mit einem runden Tisch zusammenarbeiten, den Justizministerin Claudia Bandion-Ortner einberufen hat. Doch Klasnic ist umstritten: Sie ist auch Vorsitzende der „Freunde des Grazer Priesterseminars“ und gilt als kirchennah. Sie selbst pocht auf Unabhängigkeit, die ihr Schönborn zugesichert habe.

Sonja Hasewend[Graz]

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