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Politik: Ohne Amt Schweres Amt

Der Glanz des internationalen Parketts hinterlässt bei Steinbrück Spuren. Er entfernt sich zusehends von seiner Partei.

Der Glanz des internationalen Parketts hinterlässt bei Steinbrück Spuren. Er entfernt sich zusehends von seiner Partei. Der Auftritt auf großen Bühnen gefällt dem Selbstbewussten, noch mehr als

früher lässt er andere spüren, dass sie nicht auf Augenhöhe mit ihm disputieren. Die Genossen

erscheinen ihm zu weinerlich, er schimpft

öffentlich über die „Heulsusen“ in den eigenen

Reihen und plädiert dafür, die Erfolge der großen Koalition offensiv als sozialdemokratische Politik anzunehmen; außerdem wirbt er vehement dafür, den Streit um die Agenda 2010 zu beenden.

„Wir hatten ein kommodes Leben“, gibt

Steinbrück zu, wenn man ihn auf die Jahre ohne Amt anspricht. Nach dem demütigenden Ergebnis von 2009 hat er sich auf die hinteren Bänke des Bundestags zurückgezogen und endlich die Zeit gefunden, in Büchern aufzuschreiben, was ihn treibt. „Unter dem Strich“ bilanziert er eine

Gesellschaft, die das Aufstiegsversprechen, für das Willy Brandt und seine Generation von Sozialdemokraten standen, nicht mehr gewährleistet.

Steinbrück ist viel in seinem Wahlkreis Mettmann unterwegs, er besucht

Unternehmen genauso wie Altenheime und wundert sich gelegentlich, warum

dieser Teil von ihm öffentlich nicht so wahrgenommen wird, wie er es gerne hätte.

Er redet aber auch viel bei Banken, Versicherungen und Unternehmen, er kassiert ordentliche Honorare.

Obwohl das bekannt ist, steigen seine Beliebtheitswerte, sie liegen zum Teil über

jenen der Kanzlerin und der sozialdemokratischen Mitstreiter. Die Medien bringen ihn als Kandidaten in Stellung, er taucht weg. „Wollen Sie mich umbringen“, gibt er als Antwort. Vielleicht hat er selbst geglaubt, die Droge Politik absetzen zu können.

Den Griechen muss sie eigentlich dankbar sein.

In Berlin ist der Traum von der soliden bürgerlichen Regierung binnen kurzem zum Albtraum geworden. Neoliberale Oppositionsschwärmer treffen auf eine großkoalitionär pragmatisierte Landesmutter – es konnte nur schiefgehen. Die Stichworte

jener Tage erinnern an miese Kolportage: Gurkentruppe, Mövenpick-Rabatt, römische Dekadenz. Über den Versuchen der Kanzlerin, die FDP zur finanziellen und die CSU überhaupt wieder zur Vernunft zu bringen, vergeht die kurze Zeit, in der die Koalition sogar im Bundesrat die Mehrheit hat. Wie üblich bei Merkel muss der Kleinere nachgeben. Seither übt sich Guido Westerwelle (im Bild) im ernsten Rollenfach eines Ministers des Auswärtigen.

Aber Kleinparteien auf Zwergenniveau eindampfen taugt nicht als Heldentat. Erst als die Griechen, und nach ihnen andere, den Euro ernsthaft in

Gefahr brachten, seit Deutschland mit Fantastilliarden-Summen für den Bestand der Währung und vielleicht Europas bürgt – erst seither hat Angela Merkel sich als eiserne Euro-Kanzlerin ein Image erarbeiten können, das die alte Zuschreibung der Zauderin in den Hintergrund drängt. Es ist so stark, dass es sogar die beiden spektakulärsten Schwenks der Nachkriegsgeschichte überstrahlt: das Ende der Wehrpflicht und das Ende des Atomstaats. Denn Merkel fällt es in ihrer leicht schnoddrig-norddeutschen Art nicht schwer, Erwartungen zu bedienen, die sie ihrem Volk abgeschaut hat. Die Leute mögen offenbar den Eindruck, dass da jemand mit nüchternem Verstand regiert, ihnen die Zumutungen der Welt vom Hals hält und abends trotzdem gerne mal Kartoffelsuppe isst.

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