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Politik: Ohne Fehler –und ohne Fortune

STOIBERS WAHLKAMPF

Von Robert Birnbaum

Man kann in einem Wahlkampf fast alles richtig machen und ihn trotzdem verlieren. Seit etwa zwei Wochen ahnen CDU und CSU, dass ihnen dieses Schicksal blühen könnte. Inzwischen haben sie es schriftlich. Monatelang schien die Union uneinholbar, die FDP sicher über zehn Prozent. Kurz vor dem Ziel kippt jetzt der Trend.

Dabei ist das gar nicht so überraschend. In den Umfragen klaffte immer eine große Differenz zwischen der Beliebtheit von Union und SPD als Parteien und ihren Spitzenleuten Edmund Stoiber und Gerhard Schröder als Personen. Diese Differenz ist Ausdruck einer verbreiteten Stimmung, die ungefähr so lautet: Die Regierung hat viel Unfug angerichtet. Aber sie hat sich auch nicht massiv unbeliebt gemacht, ihre Spitzenleute blieben populär. CDU und CSU wiederum gelten als Parteien, die manches besser machen könnten. Aber ihr programmatisches und personelles Angebot löst keine Begeisterung aus.

Die Demoskopen sagen es kurz: Es gibt keine Wechselstimmung. Vielmehr herrscht im Wahlvolk eine gewisse Ratlosigkeit. Sie war die Basis dafür, dass die Stimmung sich drehen konnte. Es bedurfte nur eines Anlasses. Den Anlass lieferte erst die Flut, dann der Irak. Die Flut hat der Regierung erlaubt, Handlungsfähigkeit zu zeigen. Das Irak-Thema hat Schröder mit einer Position besetzt, die den Wahltag nicht lange überleben wird, die jedoch auch nicht ganz und gar absurd ist – kein Krieg gegen den Irak, weil die möglichen Nebenwirkungen schlimmer wären als die Gefahr, die von Saddam aktuell ausgeht. Obendrein ist Schröders Satz „Wir machen da nicht mit“ an jedem Biertisch sofort verständlich.

Die vielen Sätze, die sein Herausforderer Stoiber zum Thema sagt, sind zwar realpolitisch richtiger. Doch tut er sich schwer damit, seine Haltung so zu vermitteln, dass am Biertisch verstanden wird: Die Union will auch keinen Krieg; es kann allerdings, realpolitische Nachbemerkung, Situationen geben, in denen ein Krieg unausweichlich wäre.

Der Kandidat hat von Anfang an auf Wirtschaft und Arbeitsmarkt gesetzt. Er ging – zu Recht – davon aus, dass die Regierung hier ihre größte Schwachstelle hat. Überdies aber sind nur diese Themen so weit ideologisch neutral, dass sie sich nicht zu dem von der SPD ersehnten Lagerwahlkampf eignen. Auch die Präsentation des Bayern als milde lächelnder Landesvater war ohne Alternative.

In dieser Feststellung steckt freilich zugleich ein Dilemma. Sowohl thematisch als auch in der Image-Darstellung hat Stoibers Wahlkampf keine Alternative, also keine Möglichkeit der Reaktion auf Unerwartetes. Nur am Rande sei vermerkt, dass das Gleiche für den Wahlkampf der FDP gilt, in deren Strategie 18 ebenfalls jedes Rädchen logisch sauber ins andere greift. Wenn man ein Rad rausbricht, dreht die Maschine leer. Sobald die Umfragedaten der FDP keine Beteiligung an der nächsten Regierung mehr garantieren, wird die Strategie der Unabhängigkeit problematisch.

Für Westerwelle wie für Stoiber gilt: Jeder Kurswechsel würde der Strategie der letzten Monate nicht nur widersprechen, sondern sie geradezu zerstören. Abgesehen davon ist kein Thema in Sicht, mit dem Stoiber andere als diejenigen Anhänger von CDU und CSU gewinnen könnte, die er sowieso auf seiner Seite hat. Es ist vor allem kein Thema in Sicht, das solche Emotionen auslöst wie der Irak-Krieg.

Für Stoiber bleibt nur ein Weg – weitermachen wie bisher. Er kann nichts machen, aber es kann ihm noch etwas geschehen. Er könnte zum Beispiel Glück haben. Denn eine Woche ist lang in diesem Wahlkampf. Der Schlussspurt kann alles entscheiden. Und alles verderben.

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