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Politik: Ohne Mladic geht gar nichts

EU streitet nach Karadzic-Festnahme über künftigen Kurs gegenüber Serbien – Niederlande fordern Härte

Keine Kompromisse: Auch nach der Festnahme von Radovan Karadzic wollen die Niederlande die Bahn für Serbiens EU- Integration nur dann freigeben, wenn auch Ex-General Ratko Mladic in einer Zelle des UN-Kriegsverbrechertribunals in Den Haag sitzt.

„Wir wollen Ratko Mladic in Den Haag sehen, damit er sich vor dem Tribunal für seine Taten verantwortet. Darauf werden wir bis zum Schluss bestehen“, sagte der niederländische Europaminister Frans Timmermans der serbischen Tageszeitung „Dnevnik“ aus Novi Sad. Damit erteilte er den Erwartungen Belgrads eine Absage, dass allein mit der Festnahme des mutmaßlichen Völkermörders Radovan Karadzic die EU-Integration Serbiens beschleunigt werden könnte.

Ende April und damit kurz vor den serbischen Parlamentswahlen hatten die EU und Serbien ein Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen (SAA) unterzeichnet, das als erster Schritt auf dem Weg zu einem EU-Beitritt gilt. Brüssel fror das Abkommen allerdings vorerst ein – bis Belgrad vollständig mit dem Haager Kriegsverbrechertribunal zusammenarbeite. Für die Niederlande ist diese Bedingung aber mit dem Überraschungscoup vom Montag nicht erfüllt: „Mit der Verhaftung von Karadzic hat Serbien noch keine vollständige Zusammenarbeit erreicht, sondern erst einen sehr wichtigen Schritt in Richtung dieses Ziels“, mahnte Timmermans.

Mit der harten Position der Niederlande schwinden die Hoffnungen der neuen serbischen Regierung, dass der SAA-Interimsvertrag über Handelsfragen schon bald in Kraft treten und der Beginn der SAA-Ratifizierung in den EU-Mitgliedstaaten in Kürze starten kann. Timmermans lehnte es auch ab, nach der Karadzic-Verhaftung nun einen Kompromiss einzugehen und Serbien wenigstens mit dem Interimsvertrag entgegenzukommen: „Es war schon ein Kompromiss, dass wir das SAA im April unterzeichnet hatten.“ Die Haltung der Niederlande ist auch damit zu erklären, dass niederländische Blauhelme tatenlos zusahen, als Mladics Truppen im Juli 1995 die UN-Schutzzone Srebrenica überrannten und anschließend 8000 muslimische Männer und Jungen ermordeten.

Die EU ist aber offenbar gespalten in der Frage, ob man Serbien nach der Karadzic-Verhaftung entgegenkommen sollte oder nicht. Während verschiedene Mitgliedstaaten wie die Niederlande auf der Auslieferung von Mladic bestehen, sagte Erweiterungskommissar Olli Rehn dem serbischen Staatsfernsehen RTS, die EU-Kommission „würde es sich jetzt wünschen, dass der Interimsvertrag in Kraft tritt“. Die Entscheidung darüber obliege aber den Mitgliedsländern. Nach Auffassung des niederländischen Europaministers ist dazu ein Beschluss des EU-Ministerrates notwendig. Dieser trifft sich aber erst am 15. September wieder.

Dies ist ein nächster möglicher Stichtag, den die serbische Führung nun anpeilen könnte, um auch Ratko Mladic zu verhaften. Sollte dies geschehen, ist der Weg Serbiens zum EU-Beitrittskandidaten endgültig frei. Falls stimmt, was der britische „Daily Telegraph“ schreibt, sind die Behörden Mladic dicht auf den Fersen, haben sogar mit ihm verhandelt. Ausgerechnet er soll es gewesen sein, der die entscheidenden Hinweise zum Aufenthaltsort von Radovan Karadzic geliefert habe, meldet das Londoner Blatt mit Verweis auf Quellen im Umfeld des deutschen Bundesnachrichtendienstes BND. Dies soll aber schon vor ein paar Monaten und damit noch unter der Regierung von Vojislav Kostunica geschehen sein, der keinen Hehl aus seiner zunehmend nationalistischen und antieuropäischen Gesinnung gemacht hatte. Offenbar soll sich Mladic von dem Deal erhofft haben, nicht an das UN-Tribunal in Den Haag überstellt zu werden.

Norbert Rütsche[Sarajevo]

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