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Politik: Ohne Waffe und Schutzweste

Der Mord an Polizisten verstärkt die Angst in Großbritannien

Nach dem Mord an einem Polizisten in Manchester wächst in Großbritannien die Angst vor Terrorgruppen. Der 40-jährige Familienvater Stephen Oake, Mitglied einer Scotland-Yard-Sondereinheit, wurde bei einem Einsatz am Dienstagabend erstochen, als er drei Nordafrikaner wegen Terrorismusverdachts festnehmen wollte. Einer der Verhafteten schnappte sich ein Messer und ging auf die Polizisten los. Er verletzte mehrere Beamte, Stephen Oake tödlich.

Nach Polizeiangaben stand der Einsatz in Zusammenhang mit dem Rizinfund vergangene Woche in London. Die Beamten hätten aber weder nach dem Giftstoff gesucht noch welchen gefunden, teilte ein Polizeisprecher mit. Der Tatort blieb gestern zwar weiträumig abgesperrt, aber hin und wieder waren Polizisten in ABC-Schutzkleidung zu sehen.

Seit der Verhaftung von sieben Nordafrikanern in London, wurden Razzien in Bournemouth, Edinburg, London und Manchester durchgeführt. Der Polizeieinsatz ist gigantisch, denn die Regierung fürchtet, dass Extremisten mit einer gefährlichen Menge des tückischen Giftstoffs untergetaucht sind. Daher sollen die Aktivitäten der Verdächtigen – vermutlich ein loses Netz europaweit aktiver algerischer Extremisten – möglichst frühzeitig gestört werden.

Der Polizist Stephen Oake ist seit dem 11. September das erste Opfer in Großbritannien im „Kampf gegen den Terror“. Sein Tod hat den Briten bewusst gemacht, wie groß die Bedrohung ist. „Wir werden unsere Anstrengungen im Kampf gegen den Terror nun verdoppeln“, sagte Premierminister Tony Blair. „Die Losung lautet: Töten oder getötet werden“, zitiert die Londoner Zeitung „Sun“ einen Sicherheitsexperten.

Die an der Razzia in Manchester beteiligten 24 Polizisten waren unbewaffnet, wie es in Großbritannien die Regel ist. Nur wenige von ihnen trugen eine Schutzweste. Neun Beamte mussten nach dem Messerkampf im Krankenhaus behandelt werden. Offenbar hatte man die Verhafteten nicht einmal mit Handschellen gefesselt.

Die britische Opposition kritiserte nach dem tödlichen Einsatz die Diskrepanz zwischen der von der Regierung so dramatisch dargestellten Terrorgefahr und der schlechten finanziellen und technischen Ausstattung der Polizei. Die Queen habe sich in Windsor und im Buckingham Palace neue Hochsicherheitsbunker für jeweils 600 000 Pfund bauen lassen, der Personenschutz um Tony Blair suche seinesgleichen. Die Allgemeinheit aber werde durch immer neue Schreckenswarnungen nur verunsichert.

Jetzt hat in Großbritannien die Schutzimpfung von Krankenpersonal gegen Pocken begonnen, Krankenhäuser haben Medizin gegen Strahlenverseuchung und Anthrax auf Lager, und Luftwaffenpiloten wurden psychologisch darauf vorbereitet, notfalls von Terroristen entführte Zivilflugzeuge abzuschießen. Damit bestätigt die Regierung die Analyse eines hohen Sicherheitsbeamten: „Die Frage ist nicht ob, sondern wann ein Anschlag erfolgt.“

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