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Politik: Ohrenzeugen

Foto: Rückeis / Montage: DP HINTER DEN LINDEN Manchmal wird Geschichte gemacht, und du kannst sagen, du bist dabei gewesen. Ein solches Gefühl überkommt am Montag Dutzende von Journalisten, die im Auswärtigen Amt zu einem Pressegespräch mit Joschka Fischer geladen sind.

Von Hans Monath

Foto: Rückeis / Montage: DP

HINTER DEN LINDEN

Manchmal wird Geschichte gemacht, und du kannst sagen, du bist dabei gewesen. Ein solches Gefühl überkommt am Montag Dutzende von Journalisten, die im Auswärtigen Amt zu einem Pressegespräch mit Joschka Fischer geladen sind. Jede Minute erwartet Berlin an diesem Nachmittag die Nachricht aus Mali, wonach die deutschen Geiseln endlich in Sicherheit seien.

Und genau jetzt scheint es so weit zu sein: Gerade hat der Minister seine politische Tour d’Horizon mit einem Vortrag über die Stabilisierung Afghanistans in den Provinzen jenseits von Kabul gestartet und ist beim „Aufbau gesamtafghanischer Strukturen“ angelangt, als die schwere Tür des Stresemann-Saals auffliegt und ein Mitarbeiter mit den Worten „Herr Minister!“ den Chef unterbricht und nach draußen ruft. Ist es jetzt so weit? Wartet am anderen Ende einer Leitung der malische Staatschef oder AA-Staatssekretär Chrobog, der den Durchbruch verkündet? Gleich, so hoffen alle, wird man es aus erster Hand erfahren. Höchste Spannung im Saal, aufgeregtes Tuscheln. Jetzt verlässt auch noch Fischers Sprecher den Raum.

Nach nur drei Minuten geht die Tür wieder auf, der Minister kehrt zurück, entschuldigt sich („Tut mir leid, tut mir wirklich leid“) und ist wieder bei der „verfassungsgebenden Versammlung, der Loya Dschirga“ in Kabul. Und später will er nicht mal die Frage beantworten, ob der Anruf nun den Sahara-Geiseln galt („Das wäre ein Verstoß gegen die Verschwiegenheitspflicht“). Nichts war es also mit dem großen Moment deutscher Diplomatiegeschichte. Denn vielleicht war ja nur der amerikanische Präsident oder Fischers alter Freund Dany Cohn-Bendit am Apparat.

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