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Olaf Scholz (59) ist seit 2011 Erster Bürgermeister von Hamburg.

© picture alliance / dpa

Olaf Scholz und die Sicherheitsgarantie vor G20: "Wir werden Gewalttaten unterbinden"

Hat Hamburg die Gefahr durch linksautonome Gewalttäter unterschätzt? Noch vor einer Woche gab Bürgermeister Olaf Scholz im Tagesspiegel-Interview eine Sicherheitsgarantie ab.

An diesen Worten wird er jetzt gemessen: "Seien Sie unbesorgt: Wir können die Sicherheit garantieren." Das versprach Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) im Tagesspiegel-Interview wenige Tage vor Beginn des G20-Gipfels in seiner Stadt. Und weiter: "Der Rechtsstaat gilt. Wir werden Gewalttaten und unfriedliche Kundgebungsverläufe unterbinden. Das erwarten auch alle von uns und zwar zu Recht." Das ganze Interview im Wortlaut:

Herr Scholz, als Gastgeber des G-20-Gipfels begrüßen Sie nächste Woche die Großen dieser Welt. Welches Bild soll Hamburg bei diesem Gipfel abgeben?

Hamburg ist mit seinem Hafen genau der richtige Ort für dieses Gipfeltreffen. Schon in unserer Landesverfassung steht, dass die Stadt sich als Mittlerin zwischen den Völkern empfindet. Hamburg ist weltoffen. Diesen Eindruck sollen alle von diesem Gipfel mitnehmen.

Schon jetzt ist klar: Es wird zu gewaltsamen Protesten kommen. Kann Hamburg die Sicherheit der Gäste und der Bevölkerung garantieren?

Seien Sie unbesorgt: Wir können die Sicherheit garantieren. Die Polizei hat sich sehr gut vorbereitet. Rund 20.000 Polizisten werden für einen geregelten Ablauf des Gipfels sorgen. Hamburg tut für die Sicherheit der Gäste und seiner Bürgerinnen und Bürger alles Menschenmögliche.

Wer hatte eigentlich die Idee, den Gipfel mitten in der Innenstadt zu veranstalten?

Die Bundeskanzlerin hat mich gefragt, ob der Gipfel in Hamburg stattfinden kann – und ich habe Ja gesagt. In Deutschland gibt es nur drei Städte, die dafür groß genug sind und die nötige Infrastruktur haben: Hamburg, München und Berlin. Denn es gilt, mehr als 10.000 Gipfelteilnehmer unterzubringen und tausende Sicherheitsbeamte, und man benötigt Messestrukturen, die eine solche Veranstaltung aufnehmen können. Hamburg kann das.

Aber warum in der Innenstadt? Sicherheitsexperten sprechen von "Wahnsinn".

Die Experten, mit denen ich spreche, sagen das nicht. Es ist nicht klug, die Illusion zu erwecken, man könnte ein solches Treffen mit so vielen Menschen in der Lüneburger Heide veranstalten.

Das Messegelände befindet sich in unmittelbarer Nähe zum Schanzenviertel und der "Roten Flora", einem Treffpunkt der Linksautonomen, von wo schon oft Krawalle ausgegangen sind. Ist das bei der Entscheidung nicht ins Gewicht gefallen?

Wir sind froh, dass die Hamburger Messe nicht irgendwo am Stadtrand liegt, sondern mitten in der Stadt. Und niemand sollte die Ansicht haben, dass Gewalttäter bestimmen, wo solche internationale Treffen stattfinden dürfen und wo nicht. Im Übrigen rate ich zu Gelassenheit: Im Dezember gab es das OSZE-Außenministertreffen in Hamburg, da war die Aufregung vorher auch groß, es hat aber dann alles reibungslos funktioniert. Ähnlich wünsche ich mir das für den G-20-Gipfel, auch wenn der natürlich eine andere Dimension hat.

Mit wie vielen gewaltbereiten Demonstranten muss Hamburg rechnen?

Die Schätzungen schwanken da sehr, wirklich seriös kann das niemand sagen. Derzeit sprechen die Sicherheitsbehörden von bis zu 8000 als gewaltbereit eingestuften Teilnehmern.

Wie rechtfertigen Sie, dass für den Gipfel das Versammlungsrecht massiv eingeschränkt wird? Immerhin sperrt die Stadt an den beiden Gipfeltagen 38 Quadratkilometer Fläche für Demonstrationen.

Ihr Eindruck täuscht. In Hamburg finden zum G-20-Gipfel mehr als 25 Demonstrationen statt. In einem großen Teil der Stadt sind Kundgebungen und Versammlungen möglich. Ich halte es für legitim, dass es bei einem Gipfel, auf dem Weltangelegenheiten verhandelt werden, auch eine Weltöffentlichkeit gibt, die für ihre Anliegen friedlich demonstriert.

Sie wollten ein geplantes Protestcamp von Gipfelgegnern im Stadtpark verbieten. Nun hat das Verfassungsgericht dieses grundsätzliche Verbot gekippt. Welche Folgen hat das?

Das Verfassungsgericht hat gesagt, dass es eine rechtlich sehr schwierige Entscheidung sei, ob ein Camp auch eine Versammlung ist, die nach Versammlungsrecht zu beurteilen ist – oder einfach ein Camp, das in städtischen Grünanlagen nicht stattfinden kann. Daher soll die Polizei es vorläufig als Versammlung behandeln. Damit hat die Behörde weitreichende Möglichkeiten, dafür zu sorgen, dass es keine Rückzugsräume für ungesetzliche Handlungen gibt. Aus Sicherheitsgründen hat die Versammlungsbehörde das Camp im Stadtpark nun als Übernachtungsort untersagt. Die Organisatoren hatten zuvor einen anderen Standort strikt abgelehnt.

Hamburg richtet für den Gipfel eine eigene Gefangenensammelstelle mit 400 Plätzen ein, Scharen von Richtern werden rund um die Uhr Dienst schieben. Volle Härte des Rechtsstaats – soll das Ihre Botschaft an militante Demonstranten sein?

Die Botschaft ist: Der Rechtsstaat gilt. Wir werden Gewalttaten und unfriedliche Kundgebungsverläufe unterbinden. Das erwarten auch alle von uns und zwar zu Recht.

Was kostet das alles?

Die Gesamtkosten wird die Bundesregierung zusammenstellen. Wir erhalten 50 Millionen Euro. Das ist die Summe, die wir benötigen, um für einen sicheren Ablauf sorgen zu können.

Und was hat Hamburg davon – außer Beschwerlichkeiten für die Bürger?

Mir ist es ein Anliegen, dass sich die wichtigsten Staats- und Regierungschefs der Welt in Hamburg treffen können. Helmut Schmidt war in den 70er Jahren nach dem Zusammenbruch des Weltwährungssystems von Bretton Woods und der Ölkrise der Überzeugung, dass wir unser Handeln besser global absprechen müssen. Damals hat er das G-6-/G-7-Format erfunden. Heute treffen sich nicht mehr allein die westlichen Industriestaaten, sondern es sind auch die Entwicklungs- und Schwellenländer dabei. Ich finde, das ist ein Fortschritt.

Bei großen Gipfeln stellt sich seit Langem die Frage nach dem Verhältnis von Aufwand und Ertrag. Was muss dieser Gipfel an Entscheidungen bringen, damit man hinterher sagen kann: Es hat sich gelohnt?

Es ist schon ein Wert an sich, dass die Staats- und Regierungschefs miteinander reden. Wir haben keine Weltregierung. Die Notwendigkeit für internationale Zusammenarbeit war aber nie größer. Es gibt weltweit unzählige Krisen, die oftmals mittelbar oder unmittelbar miteinander verbunden sind und die kein Land der Welt allein lösen kann: Der Klimawandel, die Krise der Weltwirtschaft und des Bankensektors, die kriegerischen Konflikte in Syrien und anderen Gegenden der Welt und die daraus resultierenden Flüchtlingsströme sowie der Terrorismus und weltweite Epidemien sind nur einige Beispiele. Deshalb ist es wichtig, dass Spitzenpolitiker aus aller Welt miteinander reden und nach Lösungen für drängende Weltprobleme suchen.

Sie meinen, der Gipfel kann auch ohne feste Vereinbarungen ein Erfolg werden?

Natürlich erwartet man von einem solchen Gipfel auch, dass etwas herauskommt. Die Vorbereitungen für die inhaltliche Ausgestaltung des Gipfels laufen seit vielen Monaten. Zusätzlich zu den klassischen G-20-Themen wie Weltwirtschaft, Handel, Finanzmarktregulierung und Steuerpolitik rücken auch aktuelle, globale Herausforderungen in den Mittelpunkt wie Initiativen zu Klimaschutz und zur Bekämpfung von Pandemien. Wir brauchen einen selbsttragenden Wirtschaftsaufschwung Afrikas. Gerade jetzt verhungern und verdursten in Afrika Tausende, und die Weltgemeinschaft tut nicht, was nötig ist. Es geht zudem um weltweite Standards beim Arbeitsschutz, Frauenförderung, Korruptionsbekämpfung und den Umgang mit Flucht und Migration. All diese Fragen sind schwierig, ein großer Durchbruch ist wohl nicht zu erwarten, das sollte aber auch nicht der Maßstab sein. Ein solcher G-20-Gipfel ist eine Zwischenstation auf einem langen, langen Weg.

Der Gipfel wird auch zum Kräftemessen zwischen Angela Merkel und Donald Trump. Sollte Deutschland den US-Präsidenten innerhalb der G20 isolieren?

Es geht nicht darum, irgendwen vorzuführen. Am Ende brauchen wir eine verabredete Politik unter möglichst vielen Völkern der Welt. Angesichts der globalen Probleme müssen die verschiedenen Regierungen wieder stärker an einem Strang ziehen.

Wie soll das funktionieren? Der US-Präsident will mehr Protektionismus, während die Kanzlerin für Freihandel eintritt. Auch bei anderen zentralen Fragen besteht keine Einigkeit: Trump hat nicht nur das Pariser Klimaabkommen aufgekündigt, sondern wehrt sich auch gegen eine stärkere Regulierung der Weltfinanzmärkte.

Auch wenn es kompliziert ist: Man darf nicht aufgeben. Verhandlungen sind ein zähes Geschäft. Wir müssen die USA davon überzeugen, dass Veränderungen im Weltklima für uns alle Folgen haben werden. Und ihnen erklären, dass fairer Freihandel am Ende allen mehr Wohlstand bringt. Schweigen kann sich nur leisten, wer sich einig ist. Genau deshalb müssen wir uns treffen. Wir müssen miteinander reden, um stärker zueinander zu kommen. Ich wünsche mir, dass in Hamburg in all diesen komplizierten Fragen ein Fortschritt erzielt werden kann.

Was wäre denn ein Fortschritt?

Zum Beispiel wenn wir dafür sorgen, dass alle sich weiter den Zielen des Pariser Klimaabkommens verpflichtet fühlen.

Für den US-Präsidenten wäre das eine Kehrtwende. Haben Sie ernsthaft die Hoffnung, dass er seine Meinung ändern wird?

Es muss unser Anliegen sein, dass wir die US-Regierung überzeugen können – früher oder später.

Schadet es den Chancen dieses Gipfels, wenn das Kräftemessen zwischen Trump und Merkel im Zentrum des Interesses steht?

Die Fragen, um die es geht, sind zu wichtig für eine solche Betrachtungsweise. Die Regierungschefs der G20 sollten gemeinsam Verantwortung für diese Welt übernehmen.

Halten Sie Donald Trump für einen irrlichternden Präsidenten, wie SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz formuliert hat?

Ich kenne in Deutschland und Europa wenige, die die Politik des US-Präsidenten besonders gut nachvollziehen können. Mir geht es auch so.

Die SPD sieht Trump sehr kritisch, gibt sich aber verständnisvoll gegenüber dem russischen Präsidenten Wladimir Putin. Ist Russland der verlässlichere Partner?

Wir sind mit den USA nicht nur im transatlantischen Bündnis verbunden, sondern auch als Demokratie und Wertegemeinschaft. Mit dem russischen Präsidenten verbindet sich erstmal ein großer Rechtsbruch, die Annexion der Krim. Ich sehe keinen Anlass, das kleinzureden.

Auf dem SPD-Parteitag hat Altkanzler Gerhard Schröder gefordert, Trump entschiedener die Stirn zu bieten, und gleichzeitig für eine größere Entspannungspolitik gegenüber Russland geworben – und das, obwohl er in den Diensten eines russischen Energiekonzerns steht. Ist das statthaft?

Die Mitgliedstaaten der EU müssen sich sicher fühlen können, dass ihre territoriale Integrität nicht angetastet wird. Russland muss das genauso akzeptieren wie die weitere Integration der Europäischen Union. Das zu erreichen, muss das Ziel sein. So etwas wie mit der Krim und der Ukraine darf sich nicht wiederholen. Und Russland darf die Existenz offener Gesellschaften in Europa nicht als Bedrohung empfinden.

Muss man nicht realistischer Weise sagen, dass die Krim für die Ukraine verloren ist, wie der verstorbene SPD-Außenpolitiker Egon Bahr es formuliert hat?

Ein Bruch des Völkerrechts wird auch durch den Zeitablauf nicht besser.

Ein anderer Autokrat auf diesem Gipfel ist der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan. Er will seinen Besuch auch für einen Auftritt vor Landsleuten nutzen. Was ist gewonnen, wenn die Bundesregierung dies nun verbietet?

Wenn man sieht, in welchem Ausmaß in der Türkei Regierungskritiker, Journalisten und Abgeordnete inhaftiert worden sind, teile ich die Position der Bundesregierung, einen solchen Auftritt nicht zuzulassen. Die Entwicklungen in der Türkei sind besorgniserregend – und das muss auch laut gesagt werden.

Für Sie persönlich steht bei diesem Gipfel eine Menge auf dem Spiel. Wenn die Krawalle aus dem Ruder laufen, kann Sie das Ihr Amt kosten, oder?

Nochmal: Die Polizei hat sich gut vorbereitet. Darauf vertraue ich.

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