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Omar al Bashir: Meilenstein oder Stolperstein

Ob der Haftbefehl gegen Sudans Präsidenten Darfur Gerechtigkeit bringen wird, ist umstritten. In Afrika und arabischen Ländern kann Omar al Bashir auf Solidarität zählen.

Berlin - Der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) sei der „Garant dafür, dass schwere Verbrechen nicht straflos bleiben“. Mit diesen abgewogenen Worten kommentierte Außenminister Frank- Walter Steinmeier (SPD) die Entscheidung der Den Haager Richter, einen internationalen Haftbefehl gegen den sudanesischen Präsidenten Omar al Baschir wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen auszustellen. Richard Dicker von der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch sagte zufrieden: „Nicht einmal Präsidenten bekommen einen Freibrief für furchtbare Verbrechen.“ Die grüne Bundestagsabgeordnete und frühere Staatssekretärin im Auswärtigen Amt, Kerstin Müller, sieht in der Entscheidung gar einen „Meilenstein“. Dem Tagesspiegel sagte sie: „In Darfur wird es ohne Gerechtigkeit keinen dauerhaften Frieden geben.“

Doch nicht alle sind überzeugt von der heilsamen Wirkung des Haftbefehls. Die christliche Hilfsorganisation World Vision befürchtet massive Schwierigkeiten für die Arbeit in Darfur. Die Ärzte ohne Grenzen sind von der Regierung aufgefordert worden, ihre internationalen Helfer aus dem Sudan abzuziehen. Dagegen hat die Welthungerhilfe, die derzeit 550 000 Menschen in Darfur mit Lebensmitteln versorgt, ihre internationalen Mitarbeiter schon länger abgezogen und die Aufgaben an lokale Mitarbeiter übertragen, sagte Jörg Heinrich von der Welthungerhilfe. Der Friedensreferent von World Vision, Ekkehard Forberg meint aber: „Die bisherigen Friedensbemühungen sind durchaus auf einem guten Weg. Wir halten es für wichtig, dass die sudanesische Regierung als Konfliktpartei am Prozess beteiligt bleibt.“ Dieses Argument findet Kerstin Müller nicht überzeugend. „Welcher Friedensprozess denn“, fragt sie ironisch. Die Rebellenorganisation JEM habe zwar mit der Regierung verhandelt, „doch die haben ja noch nicht einmal einen Waffenstillstand vereinbart“.

Seit Beginn des Konflikts 2003, als mehrere Rebellenorganisationen sich gegen die von ihnen kritisierte Vernachlässigung durch die Regierung mit Waffengewalt zur Wehr setzen, sind nach UN-Angaben rund 300 000 Menschen getötet worden, rund 2,7 Millionen Menschen wurden vertrieben. Die Muster der Angriffe waren immer gleich: Regierungsflugzeuge bombardierten Dörfer, dann ritten Reitermilizen (Dschandschawid) auf Pferden oder Kamelen ein, töteten Männer, Frauen und Kinder, nachdem sie die Frauen vergewaltigt hatten und zündeten schließlich die Häuser an.

Ob der Haftbefehl die Lage für die internationalen Helfer, vor allem aber die rund 26 000 Blauhelme der zwei Sudan-Missionen der UN, Unmis im Südsudan und Unamid gemeinsam mit der Afrikanischen Union in Darfur, gefährlich wird oder nicht, ist umstritten. Die Regierung könnte den weiteren Aufbau der Darfur- Truppe, die am Ende 26 000 Soldaten umfassen sollte, derzeit aber erst bei etwa 60 Prozent dieses Kontingents angekommen ist, boykottieren. Der Haftbefehl könnte aber auch, meint Nick Grono von der International Crisis Group, zum Druckmittel gegen die Regierung werden. Allerdings nur dann, wenn der Regierung in Khartum angeboten würde, das Verfahren ein Jahr ruhen zu lassen. Der UN-Sicherheitsrat kann das nach Artikel 16 des Römischen Statuts für den Internationalen Strafgerichtshof für ein Jahr anordnen, und dann unbegrenzt wiederholen. Die International Crisis Group rät den Haftbefehl so als Druckmittel für einen ernsthaften Frieden in Darfur zu nutzen. Die Aussetzung ist jedenfalls das, was die Afrikanische Union und die Arabische Liga erreichen wollen. Der ägyptische Außenminister forderte den UN-Sicherheitsrat schon Minuten nach der Bekanntgabe des Haftbefehls zu einer Aussetzung auf. Derzeit hat Libyen den Vorsitz des Gremiums inne.

Die praktischen Konsequenzen des Haftbefehls sind für Baschir überschaubar. Zwar müsste er in allen 108 Staaten, die das Römische Statut ratifiziert haben, festgenommen werden, wenn er einreisen wollte. Doch wenn er mit einer offiziellen Einladung einreiste, würden die Regeln für die Immunität von Präsidenten gelten. Das könnte zu einem heißen Thema werden, wenn Baschir zur UN- Vollversammlung nach New York reisen wollte. Denn als Präsident ist er dort immer offiziell eingeladen.

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