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Online-Durchsuchung: Offline

Und wieder droht ein neuer Streit zwischen Union und SPD im Rahmen der Verhandlungen über das Gesetz zur Online-Durchsuchung.

Die Online-Durchsuchung wie sie bisher von Sicherheitsbehörden, Bundesinnenministerium und Union konzipiert wurde, wird es so voraussichtlich nicht geben. Zumindest, wenn die neu aufgetauchten politischen Differenzen zwischen den Koalitionspartnern bestehen bleiben: Nachdem das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe vor Ostern bereits einen sehr engen Rahmen für die Zulässigkeit dieses Fahndungsinstruments vorgegeben hatte, lehnen nun die Sozialdemokraten und offenbar auch das SPD- geführte Bundesjustizministerium (BMJ) eine der geplanten Anwendungsmöglichkeiten der heimlichen Durchsuchung eines Computers ab – wegen verfassungsrechtlicher Bedenken.

Die Sozialdemokraten, voran Innenpolitiker Dieter Wiefelspütz, sperren sich dagegen, für eine Online-Durchsuchung das Eindringen in die Wohnung eines Verdächtigen zu erlauben, um Zugriff auf den Rechner zu haben. Damit aber könnte die für die heimliche Computerrazzia nötige Software nicht direkt und unbemerkt auf den Computer aufgespielt werden. Dann bliebe nur noch der Weg per Datenübertragung, also über eine an den Verdächtigen herangetragene CD- Rom, einen USB-Stick oder der Weg des heimlichen Downloads auf den Zielcomputer von außen über eine Datenleitung. Das allerdings halten die Praktiker und die Unionsseite für absolut unzureichend. Es stelle das Instrument an sich infrage, heißt es.

Wiefelspütz ist „der persönlichen Überzeugung, dass die SPD den heimlichen Eintritt in die Wohnung nicht mitmachen wird“. Um diesen Weg in ein Gesetz für die Online-Fahndung zu schreiben (das brachliegende Gesetz über erweiterte BKA-Befugnisse), müsste man seiner Ansicht nach die Verfassung ändern. Denn Artikel 13 im Grundgesetz über die „Unverletzlichkeit der Wohnung“ stünde dem entgegen. „Mit uns wird es aber auf gar keinen Fall eine Verfassungsänderung geben“, betont Wiefelspütz. Auch hier geht er davon aus, dass seine Parteikollegen dieser Auffassung folgen. Die Frage sei eine grundsätzliche, weil sie das Vertrauen der Bürger in den Staat berühre: „Es ist sehr relevant für das Verhältnis von Staat und Bürger.“ Wiefelspütz betont: „Wir wollen die millimetergenaue Umsetzung der rechtsstaatlichen Hürden und Sicherungen, wie sie vom Bundesverfassungsgericht für eine verfassungsgemäße Online-Durchsuchung formuliert wurden. Darüber hinaus werden wir nicht gehen.“

Die Unionsseite ist von dieser Entwicklung nicht angetan. Seit Monaten streiten sich Union und SPD, Innen- und Justizministerium, über verfassungsrechtliche Bedenken bei der Online- Durchsuchung. Der Innenexperte der Union und Berichterstatter für das Thema, Clemens Binninger (CDU), drängt die SPD deshalb, ihre Bedenken aufzugeben. „Es liegt doch in der Natur der Sache, dass wir, wenn wir den Sicherheitsbehörden aus guten Gründen die Online-Durchsuchung erlauben, ihnen auch die Möglichkeit geben müssen, im Bedarfsfall physisch auf den Rechner zuzugreifen.“ Dabei handele es sich schließlich nicht um eine Durchsuchung der Wohnung des Verdächtigen, sondern lediglich um ein Betreten. „Und das ist von der heutigen Verfassungslage im Bereich der Gefahrenabwehr gedeckt.“ Im Innen- wie im Justizministerium heißt es nur: „Die Ressortabstimmung läuft und ist noch nicht abgeschlossen.“

Sah es nach dem Karlsruher Spruch so aus, als würde ein Gesetz für die dem Urteil folgend eingeschränkte Online- Durchsuchung (nur in Fällen konkreter Gefahr für Menschenleben oder zentrale staatliche Infrastruktur) in Verhandlungen zwischen Bundesinnenministerium und Bundesjustizministerium jetzt in Kürze erstellt, sind die Gespräche zumindest auf Fachebene derzeit offenbar festgefahren. Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) und Justizministerin Brigitte Zypries (SPD) hatten vereinbart, noch vor der Sommerpause einen Gesetzentwurf vorzulegen. Die Detailarbeit sollten die Fachleute der Ministerien erledigen. In der Frage des Einbruchs in die Wohnung können sich die Fachleute aber derzeit offenbar nicht einigen. Ein Gespräch der Staatssekretäre beider Ministerien soll eine Klärung bringen, ob oder wie eine politische Einigung möglich ist. Ein Termin dafür war am Mittwoch noch nicht vereinbart.

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