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Online-Durchsuchungen: Kontroverse Debatte nach BGH-Urteil

Nach dem Urteil des Bundesgerichtshofs streiten Parteien, Datenschützer und Vertreter des Bundeskriminalamts über das heimliche Ausspionieren von Computern.

Berlin - Unionspolitiker und Kriminalbeamte bestanden darauf, rasch eine gesetzliche Grundlage zu schaffen. Politiker von SPD, FDP, Grünen und Linkspartei sowie der Bundesdatenschutzbeauftragte warnten hingegen vor Schnellschüssen. Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) sprach von einer verfassungsrechtlich schwierigen Lage.

Nach dem Beschluss des Bundesgerichtshofs (BGH) ist das Ausspähen von Daten mit Hilfe eines Programms, das ohne Wissen des Betroffenen auf seinen Computer aufgespielt wird, nicht durch die Strafprozessordnung gedeckt.

Zypries: "Brauchen wir das überhaupt?"

Zypries äußerte sich zurückhaltend. "Es ist unter verfassungsmäßigem Blickwinkel ausgesprochen schwierig, weil man natürlich in die Privatsphäre in einem erheblichen Maße eingreift", sagte sie dem Fernsehsender N24. Computer würden auch für private Dinge genutzt. All dies würde der Staat dann heimlich sehen. Deswegen müssen man erst klären: "Brauchen wir so etwas überhaupt?"

Der Präsident des Bundeskriminalamts (BKA), Jörg Ziercke, pochte im Deutschlandradio Kultur hingegen auf eine Gesetzesänderung. Das Internet spiele nicht nur eine wichtige Rolle für Terroristen, sondern auch bei Kinderpornografie, rechtsextremistischer Propaganda, Wirtschaftskriminalität und beim Menschenhandel. "99,9 Prozent der Menschen werden von dieser Maßnahme überhaupt nicht betroffen sein."

Der Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) und die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) unterstützen Ziercke. "Da sich Straftaten zunehmend im Online-Bereich ereignen, muss die Polizei in der Lage sein, nicht nur den Technik- und Zeitvorsprung krimineller Täter im Netz auszugleichen, sondern künftig auch mit der rasant fortschreitenden technischen Entwicklung Schritt zu halten", sagte der DpolG-Vorsitzender Wolfgang Speck.

Online-Fahndung bei hohen Hürden "stumpfes Schwert"

Der rechtspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Jürgen Gehb, befürwortete im Deutschlandradio ebenfalls eine Gesetzesänderung und warnte davor, durch zu hohe Hürden die Online-Fahndung als "stumpfes Schwert" auszugestalten. Hohe Hürden hatte der innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Dieter Wiefelspütz, gefordert. Gehb nannte es lebensfremd, den privaten Lebensbereich von vornherein zum Tabu zu erklären, wenn man effektiv organisierte Kriminalität oder Kinderpornografie bekämpfen wolle. Ähnlich äußerte sich der rechtspolitische Sprecher der CSU-Landesgruppe, Stephan Mayer. Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) hatte sich bereits unmittelbar nach der Karlsruher Entscheidung für eine Gesetzesänderung ausgesprochen.

Die FDP-Rechtspolitikerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger sieht hingegen bei Online-Durchsuchungen kaum gesetzgeberischen Spielraum. "Es war das Bundesverfassungsgericht, das den Kernbereich privater Lebensgestaltung vor dem ungehinderten Zugriff des Staates schützen musste, weil der Gesetzgeber verfassungswidrige Gesetze erließ", sagte die frühere Justizministerin.

Linkspartei und Grüne beharren auf Status quo

Auch die Links-Fraktion und die Grünen warnten vor Gesetzesänderungen. Geheime Online-Überwachungen würden die Grundlagen der Demokratie sprengen, befürchtete die stellvertretende Links-Fraktionschefin Petra Pau. Der Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen, Volker Beck, sagte der "Netzeitung", die derzeitigen Regelungen reichten aus.

Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar forderte die Politik im RBB-Inforadio auf, die Finger von "Staats-Trojanern" zu lassen. Ein heimlich auf einen Rechner geschleustes Mini-Programm unterscheide nicht zwischen Dokumenten zur Vorbereitung von Straftaten und privaten Dateien. "Ein solches Programm würde im Prinzip diese Daten unterschiedslos an Ermittlungsbehörden senden, das hielte ich für völlig unverhältnismäßig." (tso/dpa)

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