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Politik: Opfer von Halberstadt ohne Vertrauen in Justiz Anwälte wollen vorzeitiges Ende des Verfahrens

Im Prozess zum rechtsextremen Überfall auf Schauspieler in Halberstadt haben die Anwälte der Opfer die Hoffnung auf ein sauberes Verfahren verloren. Bei der Verhandlung am Donnerstag beantragten die Anwälte aller fünf Nebenkläger, die Beweisaufnahme „zu schließen“, also abzubrechen.

Von Frank Jansen

Im Prozess zum rechtsextremen Überfall auf Schauspieler in Halberstadt haben die Anwälte der Opfer die Hoffnung auf ein sauberes Verfahren verloren. Bei der Verhandlung am Donnerstag beantragten die Anwälte aller fünf Nebenkläger, die Beweisaufnahme „zu schließen“, also abzubrechen. „Dieses Verfahren gibt nur noch vor, rechtsstaatlichen Anforderungen zu genügen“, trug Anwältin Franziska Nedelmann im Namen der Nebenkläger dem Amtsgericht Halberstadt vor, das den Prozess gegen vier Angeklagte im Magdeburger Landgericht führt. In der Verhandlung wiederholten sich die von den Opfern „am Tattag erlittenen Ohnmachtsgefühle und inneren Verletzungen“, sagte Nedelmann. Weder Gericht noch Staatsanwaltschaft zeigten eine ernsthafte Bereitschaft, bei der Sachaufklärung mitzuwirken. Nedelmann zitierte den Vorsitzenden Richter Holger Selig, der gesagt haben soll, das Verfahren müsse man „über sich ergehen lassen“. Eine weitere Anwältin der Nebenklage kritisierte, das Gericht nehme es hin, dass viele Zeugen offenkundig lügen.

Laut Nedelmann haben zudem Polizei und Staatsanwaltschaft „von Anbeginn unzureichend ermittelt und dadurch Tatzeugen nicht vernommen“. So hätten die Strafverfolger eine Mitarbeiterin der Kneipe, vor der die Schauspieler im Juni 2007 attackiert wurden, weder als Zeugin erfasst noch vernommen, obwohl die Frau kurz nach dem Angriff über Notruf die Polizei verständigt habe. Die Mitarbeiterin des Lokals wurde erst im Prozess angehört, hatte da aber Erinnerungslücken. Die Nebenkläger werfen der Staatsanwaltschaft außerdem vor, Ermittlungsergebnisse seien „nicht oder fehlerhaft festgehalten“ und den Verfahrensbeteiligten „bis heute nicht vollständig zur Kenntnis gebracht“ worden. Richter Selig, die beiden Staatsanwälte und die Verteidiger reagierten mit Unverständnis. Das Gericht will Ende März über den Antrag entscheiden.

Unterdessen gerät das Landesinnenministerium in der Polizeiaffäre, in der das Versagen von Beamten nach dem Angriff in Halberstadt nur eine Facette darstellt, zunehmend unter Druck. In dem Verdachtsfall, ein unbequemer Polizist sei bei einer privaten Unterhaltung bespitzelt worden, gab jetzt ein Sprecher des Ministeriums gegenüber dem Tagesspiegel zu, dass die Öffentlichkeit teilweise falsch informiert wurde.

Im Februar hieß es in einer Mitteilung, zwei Kollegen des Polizisten hätten sich nach einem Gespräch mit ihm über den in einer Polizeizelle in Dessau verbrannten Afrikaner Oury Jalloh „ratsuchend“ an das Ministerium gewandt. Dies müsse „modifziert“ werden, sagte der Sprecher. Es habe sich „ein Dritter“ beim Ministerium gemeldet und über die Unterhaltung des Polizisten mit den zwei Kollegen berichtet. Dann habe das Ministerium die beiden aufgefordert, ein Gesprächsprotokoll zu schreiben. Der Polizist selbst hat stets betont, die zwei Kollegen seien nie ans Ministerium herangetreten. Die Linksfraktion im Landtag nannte am Donnerstag das Vorgehen des Ministeriums „äußerst kritikwürdig“. Der Polizist, der sich dem Drängen eines Vorgesetzten auf verminderte Bekämpfung rechter Kriminalität widersetzt hatte, solle „diffamiert“ werden. Der Untersuchungsausschuss zur Polizeiaffäre müsse sich mit dem Verhalten des Ministeriums befassen.

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